Rückblick auf das Bahnhofsfest in Walheim am 13. und 14. Juni 2015

Am Wochenende vom 13. zum 14. Juni 2015 veranstalteten die Eisenbahnfreunde Grenzland e.V.  ihr schon traditionelles Bahnhofsfest in Walheim. Der Mittelpunkt war wie immer das ehemalige Fahrdienstleiterstellwerk „Wf“ am Bahnübergang „Auf der Kier“. Neu war im Konzept des Jahres 2015 die Verschiebung der „Fressmeile“ in den Umkreis des Stellwerks, die sich als organisatorisch vorteilhafter erwies und vom Publikum gut angenommen wurde.

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Das Bahnhofsfest 2015 bot die Möglichkeiten, die Vennbahn sowohl von einem Schienenfahrzeug aus bei einer Fahrt über die letzten deutschen Vennbahngleise als auch bei einer Fahrt im Oberdeck eines waschechten Berliner Doppelstockbusses zu erleben. In der Gunst der Gäste lag der „Schienenverkehr““ allerdings eindeutig vorne.

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Wer sich für eine  der „Mäxchen“-Fahrten entschied, wurde gleichwohl alleine schon durch den eindrucksvollen  Ausblick vom Oberdeck des Busses belohnt. Während der Fahrt durch das Münsterländchen erhielten die Fahrgäste zusätzlich interessante Informationen über oftmals unbekannte Besonderheiten der heute noch zu sehenden Reste der Vennbahn.

Zu besichtigen waren neben den vereinseigenen Lokomotiven und Waggons auch diverse zugereiste historische Straßenfahrzeuge. Ausgestellt werden u.a. auch Zweiwegefahrzeuge und historische Traktoren.

Die Besucherinnen und Besucher konnten in diesem Jahr endlich auch die historische Diesellok „Anna 20“ wieder mit einem laufenden Motor erleben. Wer es etwas kleiner mochte, konnte dem Bullern des luftgekühlten VW-Motor am „Schienen-Bulli“ (Klv 20) lauschen.

Ein Eindruck vom Bahnbetrieb auf den Vennbahnschienen und dem Bahnhofsfest der EFG aus der Vogelperspektive bietet dieser Link:
https://www.youtube.com/watch?v=pdCvQUM8dLw

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Schlangestehen für eine Fahrt über die letzten erhalten gebliebenen deutschen Vennbahngleise. Die Besucher des Bahnhofsfestes waren geduldige Menschen…

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Einer der Stars des Bahnhofsfestes 2015 war die Lok „Anna 20“, die einen Austauschmotor bekommen hat und rechtzeitig zum Bahnhofsfest wieder ihren urigen Motorsound hören lassen konnte. Der Vorgängermotor war vor dem Stellwerk „Wf“ ausgestellt worden und beeindruckte die Besucher durch seine kolossalen Ausmaße.

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Zu den Stars des Bahnhofsfestes gehörte auch dieses Jahr wieder der Klv 20 5010. Besonders das Drehen der Draisine erregte das Interesse der Besucher. Reizvoll war auch das Zusammentreffen mit einem „Samba-Bulli“ am Bahnübergang „Auf der Kier“ (oben und unten).
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Anläßlich der Veranstaltung „Stolberg goes Irland“ verkehrte am 13. und 14. Juni ein zusätzlicher Euregiobahn-Triebwagen als Sonderzug zwischen Stolberg Hbf und Breinig. Vom Bf. Breinig bestand am 14. Juni 2015 mehrmals die Möglichkeit, vom Euregiobahn-Triebwagen 643 212 aus umzusteigen und mit einem Doppeldeckerbus zum Bahnhofsfest nach Walheim und wieder zurück zu fahren.

Am Ende der zweitägigen Veranstaltungen kann man allen Beteiligten, die zum Gelingen des Bahnhofsfestes 2015 beigetragen haben, ein herzliches Dankeschön sagen – es war (wieder einmal) klasse!
Es ist schon bemerkenswert, dass ein relativ kleiner Verein wie die „Eisenbahnfreunde Grenzland e.V.“ es schafft, mehr Begeisterung für die Eisenbahn und die regionale Eisenbahngeschichte zu wecken und die Eisenbahn besser und nachhaltiger zu einem Erlebnis zu machen, als es der große Konzern „Deutsche Bahn AG“ vermag. Wann hat die Region Aachen eigentlich zuletzt eine ähnliche Veranstaltung der DB-AG oder ihrer Tochterfirmen erlebt…..?

Jugenderinnerungen: Der 10. Mai 1975 – ein schwarzer Tag und eine schwarze Lok

Mai 1975 – in Rheine nähert sich der Einsatz der ölgefeuerten Schnellzugdampfloks der BR 012 seinem unwiderruflichen Ende. Ich habe schon eine ganze Reihe toller Bilder von diesen majestätischen Loks gesehen, wie sie mit wehenden Dampfwolken über die Emslandbahn donnern. Bei der Deutschen Bundesbahn markiert das Ende des Winterfahrplans 1974/75 zugleich auch das Ende des letzten Dampflokeinsatzes im Schnellzugverkehr. 1975 dachte man nicht, dass es jemals wieder solche Dampflokeinsätze geben würde. Diese Epoche würde unwiederruflich zu Ende gehen. Wie sollte es denn künftig möglich sein, solch große Schnellzugdampflokomotiven der BR 01 oder 01.10 betriebsfähig zu erhalten?
Ich habe mit meinen jugendlichen 14 Lebensjahren damals noch keine Gelegenheit gehabt, diese beeindruckenden Schnellzugdampfloks mit ihren über 2 Meter hohen Antriebsrädern in Natura zu erleben. Und ich habe es im Frühjahr 1975 schon fast abgeschrieben, die BR 012 leibhaftig und live zu erleben, als irgendwann Anfang Mai 1975 ein kleiner Bericht in der „Stolberger Volkszeitung“ steht über eine Sonderfahrt mit einer Dampflok der BR 012 von Dortmund über Köln nach Lüttich und zurück. Eine Sonderfahrt, bei der eine dieser legendären Loks der BR 012 aus Rheine auch durch Stolberg fahren wird!

Mein erstes Pech: An diesem Samstagvormittag schreiben wir eine wichtige Klassenarbeit, so dass ein Schuleschwänzen für das 012-Erlebnis auf der Hinfahrt von Dortmund nach Lüttich nicht möglich ist! Frust!!
Also soll es nur noch eine Gelegenheit für mich geben, die BR 012 leibhaftig zu erleben, nämlich auf der Rückfahrt von Lüttich nach Köln. Mit meinen damaligen Möglichkeiten versuche ich, alle erhältlichen Informationen zum Ablauf der Fahrt zusammenzutragen – Telefonanruf bei der Zeitung, Anruf beim Veranstalter, Nachfrage im Stolberger Bahnhofsbüro, Basa-Gespräch zum Stolberger Fahrdienstleiterstellwerk „Sof“, keine Möglichkeit zur Einsicht in das Zugtelegramm.  Am Ende steht nur so viel fest: Die Lok soll um 18:55 Uhr von Aachen weiterfahren und bereits um 19:45 Uhr in Köln eintreffen. Durchfahrt in Stolberg 19:04 Uhr. Ein Vergleich mit dem Kursbuch und den Fahrzeiten der regulären D-Züge läßt erkennen, dass die 012 mit Volldampf im D-Zug-Tempo nach Köln brettern muss, um diese Fahrzeit einzuhalten. Ich hätte die Lok ja gerne in Stolberg fotografiert, aber wenn man die Lichtverhältnisse gegen 19 Uhr im Mai dort kennt, und dazu meine bescheidene Kameratechnik – das kann nichts werden. Also entscheide ich mich, die Lok beim Halt in Aachen aufzunehmen. Und eine gute Ausfahrt mit lautstarkem Anfahren des schweren Zuges hat ja auch etwas. Ich denke, mehrere Fotos am Bahnsteig müßten eigentlich drin sein.
Sicherheitshalber habe ich meinen Bruder, der zwar gerne fotografiert, aber kein Eisenbahnfan ist, überredet, die Durchfahrt in Stolberg Hbf trotz der widrigen Lichtverhältnisse doch zu fotografieren. Er hat sich gerade eine ältere 6×6-Kamera mit Verschlusszeiten bis zu 1/250 Sekunde zugelegt, und auf seinem Rollfilm sind noch 6 Bilder drauf.
Besser kann man sich eigentlich nicht vorbereiten…….

Am Morgen des 10. Mai 1975 steckte ich meinen Fotoapparat vorsichtshalber in die Schultasche, aber der Lehrer war leider nicht krank geworden und die Klassenarbeit musste geschrieben werden………. :-(
Und dann kommt am späten Nachmittag des 10. Mai 1975 der sehnsüchtig erwartete Augenblick der Wahrheit. Meine Mutter hat mich rechtzeitig zum Aachener Hauptbahnhof chauffiert, ich bin pünktlich, reichlich vor der Zeit, am richtigen Gleis. Doch dann meldet der Zug etwas Verspätung, so dass die Haltezeit wahrscheinlich auf das unbedingt Notwendige verkürzt wird. Der Bahnsteig füllt sich zunehmend mit Menschen – irgendwie scheint die Zeitung ungeahnte Massen mobilisiert zu haben. Meinen Plan, mit einem flotten Sprint einen Bahnsteigwechsel hinzukriegen und meine Fotoausbeute zu erhöhen, kann ich begraben. Ich kann froh sein, überhaupt noch ein halbwegs passables Bild hinzukriegen. Schließlich ist es endlich soweit! Die Einfahrt des Dampfloksonderzuges wird über den Bahnsteiglautsprecher angekündigt.
Doch was ist das? – An Stelle der edlen Schnellzuglok läuft eine völlig schmuddelige, rußschwarze Lok ein. Das Nummernschild besagt wohl 012 063, aber sie sieht jämmerlich aus. Und mit so einer Schmuddellok will man das Ende der stolzen Schnellzuglokbaureihe 012 zelebrieren und sogar ins Ausland fahren……..??

Ich mache meine Fotos mit schwarzer Lok vor dem dunklen Hintergrund der Bahnhofshalle, es reicht gerade für 3 – 4 Bilder, dann bricht die Lok auch schon wieder auf. Wenigstens akustisch ist die Ausfahrt aus dem Aachener Hauptbahnhof ein gelungener Kracher.

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Mit gemischten Gefühlen fahren wir mit dem Auto zurück nach Stolberg. Einmal wenigstens hatte ich sie erlebt, den Klang ihrer drei Antriebszylinder mit dem charakteristischen Takt gehört, doch bei all den prächtigen Bildern, die ich vorher so gesehen habe, bin ich auch enttäuscht, dass die BR 012 so erbärmlich aussah. Aber es ist ja das Ende der Einsatzzeit – und viele Stolberger Loks der BR 50 sehen genauso aus…..

Als wir von Eilendorf kommend in Richtung Stolberg-Atsch abbiegen, liegen in der Ferne über den Stolberger Hauptbahnhof dicke schwarze Rußwolken. Von der BR 012 kann das eigentlich nicht sein – die müßte doch schon vor mindestens 20 Minuten hier durchgefahren sein. Da muss ich nachher einmal meinen Bruder fragen, was da los war. Auf dem weiteren Weg nach Hause treffen wir ihn schon unterwegs an der Straße. Eigentlich hätte er vom Stolberger Hauptbahnhof zu Fuß schon längst zu Hause sein können…….
„Die haben hier angehalten, die Lok abgehängt und Wasser genommen…“ erzählt er. „Die sind vor ein paar Minuten erst wieder weggefahren…“ Ich hätte in eine Bahnschiene beißen können, und meine Mutter schaut mich leicht verärgert an, dass ich sie bis nach Aachen dirigiert habe, wo der Zug doch in Stolberg gehalten hat. Zumal ich sie am Vortag schon für eine Fahrt zur Dampflokschau nach Niedermendig in der Eifel in Anspruch genommen hatte. „Da hätte ich mich wohl besser informieren müssen…“ muss ich mir anhören.
Tja, da hatte ich gemeint, alles richtig zu machen, und am Ende war alles daneben gegangen.
Mein persönlicher Abschied von den aktiven Schnellzugdampfloks der Deutschen Bundesbahn war so völlig anders als in meiner von vielen Fotos bekannter  Eisenbahnfreunde genährten Erwartung. Bis zum Einsatzende dieser Loks zeigte sich für mich keine Möglichkeit mehr, diese letzten Schnellzugdampfloks doch noch einmal in ihrer ganzen Pracht zu erleben…
Das empfand ich lange Zeit als einen meiner schwärzesten Tage zu DB-Dampfzeiten.

Nebenbei, die Klassenarbeit war auch nicht so gut – kein Wunder, meine Gedanken waren irgendwo beim Streckenkilometer 60 zwischen Köln und Aachen.

Mein Bruder hat mir seine Fotos geschenkt, so habe ich etwas mehr bewahren können.

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Hier kommt der Zug auf dem damaligen Gleis 1a (heute Gleis 43) angefahren (oben und unten). Meinem Bruder dämmerte da schon, dass etwas Ungewöhnliches passieren würde…..
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Nach dem Anhalten in Gleis 1a wurde die 012 063 abgekuppelt ….

1975_05_10_StolbergHbf_Gl1a_012063_Wasserfassen_x4F3_F… und auf der Vennbahnseite des Stolberger Hbf wurde der Wasserkran an Gleis 87 zum Volltanken benutzt.

Ganz so hart war das Leben dann doch nicht mit mir. Nachdem 1985 das DB-Dampfverbot gefallen war, konnte ich in Stolberg und Umgebung eindrucksvolle Einsätze der Loks 01 1066, 01 1100 und 01 1102 erleben, mit einem von 01 1066 gezogenen Zug bin ich 1999 durch die Eifel gefahren, und niederländische Eisenbahnfreunde sind mit der 01 1075 schon öfters bis nach Valkenburg und Simpelveld bei Aachen gekommen. Am 6. Dezember 2014 konnte man die 01 1075 sogar rund um Aachen erleben:

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Wer hätte 1975 gedacht, dass solche Momente noch einmal möglich sein würden? Heute wissen wir es besser – Träume der Jugendzeit können Jahrzehnte später doch noch wahr werden…
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012 063 habe ich nach dem Erlebnis vom 10. Mai 1975 übrigens erstmals im Februar 1981 auf ihrem Denkmalsockel in Braunschweig wiedergesehen. Da war sie dann so herausgeputzt, wie ich sie damals in Aachen erwartet hatte. Wer sie im Jahre 2015 aufsucht, wird dort immer noch (bzw. wieder) ein „Schmuckstück“ antreffen……

Wie ich später erfahren habe, sollte die Sonderfahrt ursprünglich mit der Lok 012 055 gefahren werden, die meinen Erwartungen zum Aussehen einer stolzen Schnellzuglok besser entsprochen hätte. Wegen eines schweren Schadens an dieser Lok wäre die Sonderfahrt aber beinahe ganz ausgefallen. Nur mit viel Organisationsgeschick hatten die DB und der Veranstalter es schließlich geschafft, die völlig unvorbereitete 012 063 vor diesem Sonderzug zum Einsatz zu bringen. Die schmuddelige 012 063 war also der Retter in der Not gewesen.

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