Zur Verschrottung der 120 142 …

In den letzten Monaten hatte man sich beim Beobachten des Bahnbetriebs auf dem Stolberger Hauptbahnhof schon daran gewöhnt, dass in regelmäßigen Abständen ausrangierte Loks der Deutschen Bahn AG zur Verschrottung nach Eschweiler-Aue gebracht worden waren. Bei den überwiegend aus den 1960er Jahren stammenden Loks der Baureihen 110, 115, 139 und 140 verwunderte es auch nicht, diese im Jahre 2010 oder 2011 alters- und verschleißbedingt zu verschrotten. Bei den ehemaligen DDR-Reichsbahn-Loks der Baureihen 143 war das schon weniger verständlich.

Als am 11. Oktober 2011 allerdings 120 142 als erste ihrer Baureihe zur Verschrottung angeliefert wurde, schreckte das viele Eisenbahnfreunde und selbst gestandene Eisenbahner auf. Die Loks der Baureihe 120.1 waren schließlich etwas Besonderes! Die Baureihe 120.1 gilt als die erste in Serie gebaute Drehstromlok weltweit. Sie stellt einen Meilenstein in der technischen Entwicklung der Elektrolok dar, weil mit ihr die jahrzehntelang von vielen Eisenbahnen ersehnte Universallok geschaffen werden konnte. „Zur Verschrottung der 120 142 …“ weiterlesen

Kohlenpott-Atmosphäre auf belgisch – Ein Ausflug nach Seraing

In klischeehaften Vorstellungen ist das Ruhrgebiet immer noch ein schmutziger Landstrich, in dem die rußgeschwärzten Wohnsiedlungen zwischen Hochöfen, Stahlwerken und rauchenden Fabriken eingezwängt sind. Doch im Jahre 2010 sucht man selbst im Ruhrgebiet meist vergeblich nach diesem Bild.

Wer heutzutage noch einen Eindruck vom Ambiente einer Industriestadt wie vor fünfzig oder hundert Jahren bekommen möchte, der könnte in der belgischen Stadt Seraing bei Lüttich fündig werden.

Seraing war einer der Ausgangspunkte der „industriellen Revolution“ auf dem europäischen Kontinent und entwickelte sich rasch zu einem der zentralen Industriestandorte Belgiens. Der Name der Stadt Seraing ist eng verbunden mit den beiden Brüdern John und James Cockerill. Schon im Jahre 1816 betrieb die Familie Cockerill in Seraing bspw. mehrere Hochöfen, ein Stahl- und Walzwerk, eine Maschinenfabrik, zwei Steinkohlegruben, eine Erzgrube und eine Kesselschmiede und beschäftigte dort rd. 2.500 Arbeiter.

Und es gibt auch eine historische Verbindung zwischen Seraing und Stolberg! Denn im Jahre 1837 dehnte die Familie Cockerill ihre Tätigkeit auch nach Stolberg aus, wo sie u.a. die St. Heinrich-Zinkhütte in Münsterbusch und in deren direkter Nachbarschaft das Bergwerk James-Grube errichtete. In Stolberg erinnert die Cockerillstraße an dieses Kapitel der euregionalen Industriegeschichte.

Obwohl der Strukturwandel auch hier tiefe Spuren hinterlassen hat, konnte Seraing sich immer noch einen Teil seiner Schwerindustrie erhalten. Und immer noch liegen Hochöfen und Schwerindustrie mitten im Stadtgebiet. Neben der weiterhin produzierenden Eisen- und Stahlindustrie gibt es zudem umfangreiche Brachflächen stillgelegter Industrieanlagen und heruntergekommener Stadtviertel, die ihrerseits einen eigenen, morbiden Charme ausstrahlen.

Die gesamte, aus 59 Motiven bestehende  Fotoreportage von einem im Juli 2011 unternommenen Ausflug nach Seraing und dem vorgelagerten Rangierbahnhof (Lüttich-) Kinkempois gibt es hier zu sehen.

15. September 1944 – Tieffliegerangriff auf einen Zug bei Hücheln

Zur Geschichte der Eisenbahn gehören nicht nur Glanzpunkte wie die Einführung neuer Zugverbindungen oder der Einsatz spektakulärer Fahrzeuge, sondern ebenso Schattenseiten wie etwa Zugunglücke oder andere menschliche Tragödien. Auch auf der Strecke Köln – Aachen hat es solche Katastrophen gegeben. So waren bei der Entgleisung des D 23 Paris – Köln – Berlin – Warschau am 25. August 1929 im Bf. Buir 13 Tote, 40 Schwer- und 60 Leichtverletzte zu beklagen. 5 weitere Unfallopfer erlagen später im Krankenhaus ihren schweren Verletzungen. Und am 27. Mai 1983, als der Wien-Oostende-Expreß mit 130 km/h beim Bf. Großkönigsdorf im Bereich des aufgeschlitzten ehemaligen Königsdorfer Tunnels in einen Erdrutsch raste, gab es 6 Tote und 18 Verletzte.

Zu den eher vergessenen oder unbekannten Tragödien der Eisenbahn rund um Stolberg gehört der Tieffliegerangriff auf einen Flüchtlingszug, den es noch schlimmer traf, als er am 15. September 1944 kurz nach seiner Abfahrt vom Eschweiler Hauptbahnhof bei Hücheln von Tieffliegern der US-Air Force angegriffen wurde. Auch wenn die Zahl der Opfer dieses Tieffliegerangriffes hier nicht exakt angegeben werden kann (für ein Gedenken an dieses grässliche Kriegsgeschehen letztlich aber auch nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist), so ist dennoch festzuhalten, dass an jenem 15. September 1944 bei Hücheln mehr Menschen getötet worden sind als bei den anderen schweren Eisenbahnunglücken auf der Strecke Köln – Aachen. Obwohl die amerikanischen Jagdbomber den Zug nicht auf dem Gebiet der Stadt Stolberg angegriffen hatten, waren die meisten der Opfer Frauen und Kinder aus Stolberg, die nach Westfalen evakuiert werden sollten, weil die Frontlinie an diesem Tag bereits mitten durch Stolberg verlief.

Mit diesem Beitrag soll der Versuch unternommen werden, mehr als 65 Jahre danach noch einige Mosaiksteinchen von diesem Schicksalstag zusammen zu tragen. „15. September 1944 – Tieffliegerangriff auf einen Zug bei Hücheln“ weiterlesen

Mit dem Sonderzug zur Marienwallfahrt nach Kevelaer

Die Stolberger Pfarre St. Maria Himmelfahrt aus dem Stadtteil Mühle veranstaltete in den 1950er und 1960er Jahren regelmäßig einmal im Jahr eine Pilgerfahrt zum niederrheinischen Marienwallfahrtsort Kevelaer.

Kevelaer ist bereits seit 1642 ein Marienwallfahrtsort und hat sich mittlerweile zum größten Wallfahrtsort Nordwesteuropas entwickelt. Jedes Jahr sollen bis zu 1 Million Pilger die Stadt, die selbst nur rd. 28.000 Einwohner zählt, besuchen, um dort das Gnadenbild der heiligen Maria aufzusuchen. In der katholischen Kirche wird die Wallfahrt nach Kevelaer immer wieder mit Wunderheilungen verbunden. Im Jahre 1892 wurde das Gnadenbild durch den Papst mit einer goldenen Krone gekrönt und damit in die Reihe der vom Vatikan bestätigten Gnadenbilder aufgenommen. Außerdem wurde dem Pfarrer von Kevelaer 1884 das bis heute bestehende Privileg verliehen, an den katholischen Marienfeiertagen den heiligen päpstlichen Segen zu erteilen. Zudem wurde die Kevelaer Marienkirche 1923 zur päpstlichen Marienbasilika erhoben. Im Jahre 1987 besuchten auch Papst Johannes Paul II und Mutter Theresa den Wallfahrtsort Kevelaer.

Von 1801 bis 1821 gehörte Kevelaer übrigens einmal zum Bistum Aachen, danach wurde es dem Bistum Münster zugeschlagen.

Die Wallfahrten begannen häufig am nahe bei der Pfarrkirche gelegenen Bahnhof Stolberg-Mühle, wo die Pilger den Sonderzug bestiegen. Im kirchlichen Leben jener Jahre waren diese Wallfahrten bedeutende Ereignisse, an denen viele Katholiken teilnahmen. Die Züge erreichten deshalb beachtliche Längen.

Nach Schilderungen älterer Stolberger sollen sich zeitweise auch Pilgergruppen aus der Oberstolberger Pfarre St. Lucia angeschlossen haben, so dass die Pilgerzügen fallweise auch vom Bahnhof Stolberg-Hammer aus gestartet sein sollen.

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Pilgergruppe in der Nähe des Bahnhofs Stolberg-Hammer am 30. August 1965

In verschiedenen Jahren beteiligten sich auch Pilgergruppen aus der Pfarre Herz Jesu aus Stolberg-Münsterbusch an diesen Kevelaer-Wallfahrten. Dazu verkehrte dann eigens ein Schienenbuszug, der die Münsterbuscher Pilger am Bahnhof Münsterbusch abholte und sie bis zum Stolberger Hauptbahnhof brachte, wo man auf Gleis 87 eintraf und in den vom Bahnhof Stolberg-Mühle eingetroffenen, am Gleis 88 wartenden Pilgerzug umstieg. Bei der abendlichen Rückfahrt wiederholte sich der Ablauf entsprechend.

Seit je her ist es ein gerne geübter Brauch, bei zu besonderen Anlässen verkehrenden Zügen an der Lokomotive einen Hinweis auf das Ereignis oder einen zum Anlass passenden Schmuck anzubringen. Die von Stolberg nach Kevelaer verkehrenden Pilgerzüge hoben sich davon durch ihren außergewöhnlich reichhaltigen Schmuck allerdings deutlich ab.

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Geschmückte Sonderzuglok auf dem Bahnhof Stolberg-Mühle anläßlich der Marienwallfahrt 1957

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