Schienenersatzverkehr wegen Gleiserneuerungsarbeiten – ein Erfahrungsbericht

Am 3.7.2015 habe ich den Weg von Stolberg Hbf nach Düren mit dem „Schienenersatzverkehr wegen Gleiserneuerungsarbeiten“ (SEV) einmal ausprobiert. Üblicherweise benutze ich als Berufspendler den RE 10111, der Stolberg Hbf von Gleis 2 aus um 6:00 Uhr in Richtung Köln und Hamm verlässt und den Bf. Düren um 6:17 Uhr erreicht. Köln Hbf erreicht der RE 10111 gewöhnlich zwischen 6:42 und 6:48 Uhr.

Die Bahnfahrt am 3.7.2015 war demgegenüber „sonderfahrplanmäßig“. Auf dem Bahnsteig am Gleis 43 des Stolberger Hauptbahnhofs traf man nur rd. 10 Fahrgäste an. Die meisten der sonst rd. 40 auf den RE 10111 wartenden bekannten Gesichter fehlten.

2015_07_03_StolbergHbf_643204_x1_F
Um 6:57 Uhr rollte 643 204 auf dem Bahnsteiggleis 43 in den Stolberger Hauptbahnhof ein. Wegen des richtig eingeschätzten geringen Fahrgastaufkommens sollte ein Talent-Triebwagen für diese Fahrt vollkommen ausreichend sein.

Die schwach besetzte Euregiobahn RB 29007 aus Aachen, die nur aus einem Triebwagen der BR 643.2 bestand, traf pünktlich am Gleis 43 in Stolberg Hbf ein, fuhr um 5:59 Uhr ab nach Langerwehe und traf störungsfrei um 6:13 Uhr am Bf. Eschweiler-Weisweiler ein, wo fast zeitgleich auch die aus zwei Triebwagen gebildete RB 29000 nach Aachen Hbf kreuzte. An den Zwischenstationen war nur sehr geringes Fahrgastaufkommen gewesen, so dass die Euregiobahn insgesamt nur zur Hälfte besetzt war. Am Bf. Eschweiler-Weisweiler standen für die wenigen Fahrgäste mit Zielen in Richtung Düren und Köln schon zwei Gelenkbusse der SEV-Linie B nach Düren bereit, von denen aber nur einer gebraucht wurde – und auch der war nur halb voll.

2015_07_03_BfEschweiler_Weisweiler_643204_SEVBusse_x2_F
Eschweiler-Weisweiler als temporärer Umsteigebahnhof: Hier mussten die Fahrgäste auf dem Weg nach Düren in einen der beiden bereitstehenden Gelenkbusse der SEV-Linie B umsteigen.

Von Eschweiler-Weisweiler aus begann die Busfahrt um 6:21 Uhr (planmäßig war die Abfahrt für 6:18 Uhr vorgesehen). Sie führte dann dem umständlichen Verlauf der Umgehungsstraße folgend am Kraftwerk Weisweiler vorbei zur Autobahnauffahrt Weisweiler. Ältere Fahrgäste wissen noch, dass man in Weisweiler vom Frankenplatz aus auf ausgesprochen kurzem Weg zur Autobahnauffahrt gelangen konnte. Der Linienbus fuhr in gemächlichem Tempo vorschriftsmäßig auf der Autobahn bis zur Abfahrt Düren und von dort über die B 56 nach Düren und zum Dürener Busbahnhof, wo die Busfahrt gegen 6:38 Uhr endete. Der dortige kostenpflichtige Pendlerparkplatz auf der Nordseite des Bahnhofs hatte übrigens zu dieser Zeit auch noch etwa 10 freie Plätze zu bieten. Der SEV-Bus aus Weisweiler traf damit passend für die Weiterfahrt mit dem RE9 (10951) mit der Abfahrt 6:45 Uhr nach Köln und Hennef ein, auch das Umsteigen klappte gut. Am gleichen Bahnsteig stand außerdem noch einer der „Verstärker-RE1-Züge“ mit den alten Waggons aus den 60er Jahren, der als RE 10171 um 6:59 Uhr mit Fahrtziel Köln und Düsseldorf abfuhr. Insgesamt hat es also rd. 20 Minuten länger gedauert, um von Stolberg nach Düren zu gelangen. Dies heißt gleichzeitig aber auch: man benötigt mehr als die doppelte Fahrzeit als normalerweise üblich. Durch die Pufferzeiten für den Anschlusszug erfordert der Ersatzverkehr für Reisende in Richtung Köln faktisch sogar rd. 30 Minuten mehr Fahrzeit. Bei regulärem Fahrbetrieb dauert eine Fahrt zwischen Stolberg und Köln demgegenüber nur rd. 42 bis 45 Minuten.

2015_07_03_beiDueren_BABAusfahrt_Mitfahrt_im_SEVBus_x5_F
Blick aus einem nur schwach besetzten SEV-Bus auf die Autobahnausfahrt Düren. Der mit höchstens 80 km/h fahrende Bus wurde zwar von allen PKWs und LKWs überholt, aber die Fahrt verlief zügig und sicher. Fahrten mit einem Linienbus über die Autobahn gibt es soo häufig auch nicht zu erleben…

Für Notfälle ist der Schienenersatzverkehr wegen Gleiserneuerungsarbeiten  möglicherweise annehmbar. Für den täglichen Weg nach Köln zur Arbeit, zur Schule oder zur Universität ist er jedoch kaum vertretbar.

Als leidgeplagter Bahnpendler zwischen Stolberg und Bonn hat der Autor es vorgezogen, sich für die Zeit der Bauarbeiten als zuverlässige Alternative eine Fahrgemeinschaft zu suchen. So konnten die Wege zur Arbeit und zurück bereits vier mal staufrei, wesentlich komfortabler als in den engen Regionalzügen und in einer wesentlich kürzeren Fahrzeit (nur ~60 Minuten auf der Straße gegenüber rd. 90 Minuten auf der Schiene) zurückgelegt werden.

Fazit: Mit der Sperrung der Strecke zwischen Aachen und Düren bietet die Deutsche Bahn AG zwangsläufig Gelegenheit, Alternativen zum öffentlichen Personennahverkehr zu suchen und im Alltagsbetrieb auszuprobieren. Als Berufspendler erhält man reale Vergleichsmöglichkeiten und kann für sich selbst entscheiden, ob man der Bahn treu bleiben möchte.

Die Fahrgemeinschaft als baustellenbedingte Ausweichmöglichkeit hat sich für mich insgesamt – und nicht nur von den Zeiten her – als eindeutig vorteilhafter erwiesen. Für die Nutzung der Bahn auf dem Weg zur Arbeit spricht somit eigentlich nur noch der günstigere Fahrpreis.

Die Bahnkunden hatten im Jahre 2015 durch mehrere Streikaktionen, die völlig überraschende Betriebseinstellung wegen eines Unwettters und die jetzige Streckensperrung mehrfach Gelegenheit zu lernen: die Bahn ist längst kein zuverlässiges Verkehrsmittel mehr und es gibt Alternativen zur Bahn!

Eigentlich muss man sich die hinter den Erwartungen zurückbleibenden Leistungen von DB-Regio NRW zwischen Aachen und Köln nicht mehr antun…

 

4 Gedanken zu „Schienenersatzverkehr wegen Gleiserneuerungsarbeiten – ein Erfahrungsbericht“

  1. Wieso setzt du deine Worte nicht in die Tat um und fährst mit der Fahrgemeinschaft?
    Du musst dir ja nicht tagtäglich den Stress mit der DB Regio antun, dich zwingt niemand dazu.

    Gruß

  2. Hallo zusammen,

    jeder weiss das dies alles mit stress verbunden ist. Roland wenn die Bahn so grauselig ist, dann tue sie dir nicht mehr an. Du machst ja gerade die Erfahrung das es anders geht. Wir haben ja alle schöne Probleme in Deutschland….

    Mfg Michael

    1. Hallo Michael,

      im Moment tue ich mir die Bahn in der Tat nicht mehr an – und das ist eine angenehme, entspannende Erfahrung.

      Zu: “ Wir haben ja alle schöne Probleme in Deutschland….“ möchte ich entgegnen, dass es für den arbeitenden Teil der Bevölkerung, der ja eine wesentliche Stütze des ganzen Sozialstaates ist, durchaus ein bedeutender Faktor ist, zuverlässig und relativ schnell zur Arbeitsstelle zu kommen. Ob ich bspw. bei einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 41 Stunden für den Weg zur Arbeitsstelle für eine Strecke 1 Stunde, 1,5 oder 2 Stunden benötige, ist für mich durchaus ein bedeutender Faktor und kein Luxusproblem….

      Viele Grüße

      Roland

  3. Hallo Roland,

    dem kann ich erstmal zu stimmen. Leider ist es eben auch mal an der Zeit, dass bei der Bahn irgendwann auch mal etwas erneutert werden muss. Die Strecke ist sehr hoch belastet. Brems- und Zugkräfte gehen auch am Unterbau nicht vorbei.

    Wie soll man es denn bitte machen!?

    Besser jetzt in der Urlaubszeit als wenn wieder der Berufsverkehr voll im Gang ist?

    Sicherlich ist es für niemanden schön, wenn man sich das jetzt antuen muss. Wieviele Pendler stehen täglich im Stau? Die Stunden will ich garnicht wissen, abgesehen von der verlorenen Freizeit und dem volkswirtschaftlichen Schaden. Ich bin jahrelang gependelt und hab den Umbau der A4 voll „genießen“ können, da ist das mit den 6 Wochen im Grunde nix gegen, dass meine ich mit schönen Probemen. Wenn alles wieder fertig ist, dann läuft es ja auch wieder.

    Für alle anderen Probleme, gibt es sicherlich vielschichtige Gründe…fährt die Bahn nicht weil die Lokführer streiken usw…Hier wird ein Grundrecht in Anspruch genommen und die Menschen merken vielleicht endlich mal, dass man eben nicht hätte tatenlos zusehen sollen, wie ihr Eigentum hat privatisiert, dass kommt am Ende dabei raus…achja die Bundes(Beamten)bahn war ja auch vielen ein Dorn im Auge und jetzt jammern…gleiches gilt für die Baustelle…hier muss europaweit ausgeschrieben werden. Hast nen Spaten und Schubkarre in der Garage kann man sich bewerben, wie man sich ja auf alles und jenes bewerben kann bei der Bahn..wie man das am Ende hinbekommt, dass steht auf einen anderen Blatt. Gleisbauzug wie zu DB Zeiten, dass ist Geschichte..heute reicht ein Zweiwegebagger, so sieht es aus. Mein „Dank“ geht hier an die EU die diesen Irrsinn ins Leben gerufen hat und unsere Bundesregierung im „Vorauseilendem Gehorsam“ all diesen Mist auch noch umsetzt…die Fahrgäste dürfen es dann ausbaden. Glaub mir, bei solchen Projekten geht es bei den Bietern zur Sache und die Bahn muss dem Günstigsten den Zuschlag geben..so ist es auch bei Nahverkehrsausschreibungen, das günstigste Angebot muss genommen werden, egal ob das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt überhaupt auch nur im Ansatz den Verkehrsvertrag erfüllen kann…auch hier wieder mein Dank nach Brüssel!!!

    Wie wäre es, wenn man sich mal an die Politik wendet?

    Wir können schön in zig Foren umd Homepages das Ganze hoch und runterdebatieren – aber wer liest das am Ende!?

    Roland was du hier alles erlebst und was dir zurecht gegen den Strich geht, dass ist der Abgesang der Eisenbahn und dieses Landes…nur der deutsche Michel…nimmt alles brav hin..wie hieß es mal in dem Lied „die Wacht am Rhein“: magst ruhig sein lieb Vaterland… – heute würde ich eher sagen magst lethargisch sein Lieb Vaterland…wobei es im Grunde auf beides rauslaufen wird, dieses Land soll und das ist gewollt vor die Hunde gehen..also fangen wir mal mit der Bahn an.

    MFG

    Michael

Schreibe einen Kommentar zu Roland Keller Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert