2.3 1889 bis 1920: Der Bahnbetrieb der KPEV (Länderbahnzeit)

In der Gegend um Walheim gab es bereits vor dem Bahnbau eine Kalkindustrie, deren kleinere Produktionsstätten aber noch auf das damalige Straßennetz ausgerichtet waren. Mit dem Bahnbau entstand im Jahre 1890 unmittelbar am Bahnhof Walheim, östlich der Schleidener Straße, ein neues Kalkwerk, das fortan – auch in Richtung Stolberg – für ein hohes Güterverkehrsaufkommen sorgte.

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Der Güterverkehr auf der Vennbahn entwickelte sich innerhalb kurzer Zeit so rasant, dass schon bald Kapazitätsengpässe sichtbar wurden. Im Jahre 1890 verkehrten bereits 10 Güterzugpaare auf der Vennbahnstrecke. Die starken Steigungen und engen Kurven ermöglichten nur ein langsames Vorwärtskommen der schweren Güterzüge, und der südlich von Raeren bestehende große Abstand zwischen den Bahnhöfen schränkte wegen der fehlenden Ausweichmöglichkeiten die Durchlassfähigkeit und damit die Leistungsfähigkeit der Strecke erheblich ein, so dass schon bald ein Ausbau der Vennbahn gefordert wurde.

Am 14. September 1890 kam es auf der Vennbahn zwischen Monschau und Kalterherberg zu einem schweren Eisenbahnunglück, bei dem zwei Personenzüge frontal zusammenstießen und fünf Menschen getötet und vierzehn Personen verletzt wurden. Als Ursache wurde menschliches Fehlverhalten bei der Verlegung einer Zugkreuzung in Folge der hohen Zugdichte auf der eingleisigen Strecke ermittelt. Die KPEV nahm diesen Unfall zum Anlass, dem Drängen auf einen zweigleisigen Ausbau nachzugeben und ließ anschließend abschnittsweise das zweite Streckengleis errichten. Die Entscheidung zum durchgehend zweigleisigen Ausbau der Vennbahn dürfte mit einiger Wahrscheinlichkeit schon durch die strategischen Planungen des Militärs begünstigt worden sein. Bereits zwischen 1893 und 1895 wurde der Abschnitt Raeren – Roetgen – Lammersdorf zweigleisig ausgebaut, zwischen 1895 und 1897 folgte der Abschnitt Walheim – Raeren.

Mit einem Ministererlaß vom 12. Mai 1894 erhielt die KPEV die Genehmigung zur selbständigen Einführung der Bahn Stolberg – Walheim in den Bahnhof Walheim und zur Erweiterung des Walheimer Bahnhofs. Schon am 6. Juli 1895 wurde ein 1,97 km langes Gleis zur eigenständigen Einfädelung der Stolberger Strecke in den Bahnhof Walheim in Betrieb genommen, so dass beide Strecken parallel, aber voneinander unabhängig in den Bahnhof Walheim einmündeten. Mit dieser Maßnahme konnte die Sicherheit und Leistungsfähigkeit beider Strecken verbessert und gleichzeitig die Abzweigstelle Hahn aufgelassen werden.

Mit der Eröffnung des Truppenübungsplatzes Elsenborn und dem Ausbau des Bahnhofs Sourbrodt als Verladebahnhof stieg das Verkehrsaufkommen ab 1895 noch weiter an.

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Blick von den Bahnsteigen des Bahnhofs Walheim nach Osten. Rechts am Bildrand befindet sich das Kalkwerk, aufgenommen vermutlich um 1899.

Im Jahre 1900 wird im Bahnhof Breinig ein Stellwerksgebäude errichtet. 1906 erhält das Bahnhofsgebäude einen Anbau mit einer rd. 60 m² großen, zur Gleisseite hin offenen Wartehalle.

Im Jahre 1905 entwickelte das Deutsche Kaiserreich für das angenommene Szenario eines Zwei-Fronten-Krieges den sog. „Schlieffen-Plan“. Das Militär forderte jetzt zum schnellen Truppenaufmarsch an der Westfront, das Eisenbahnnetz in der Eifel entsprechend den militärischen Belangen gezielt auszubauen. Obwohl die daraufhin gebauten sog. „strategischen Bahnen“ meist in Ost-West-Richtung zur Reichsgrenze hin verliefen, gewann auch die Vennbahn innerhalb des Netzes der strategischen Bahnen als Verbindungsstrecke erhebliche Bedeutung. Bis Mai 1909 war die Vennbahn zwischen Walheim und Lommersweiler durchgehend zweigleisig hergestellt.

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Die Ostseite des Bahnhofs Walheim mit der getrennten Einführung der Strecken von Aachen-Rothe Erde (links) und von Stolberg (rechts); aufgenommen am 27. Juli 1908.
Die Bauarbeiten für den zweigleisigen Ausbau der Strecke nach Stolberg bzw. eine dreigleisige Bahnhofseinfahrt waren schon im Gange.

Kurz nach der Jahrhundertwende wuchs das Schienennetz auch in der Nachbarschaft der Strecke Stolberg – Walheim. In den Jahren 1905/06 beschloss der Landkreis Aachen nämlich den Bau des sog. „Bahnnetz IV“ der Aachener Kleinbahngesellschaft, das mit den Kreissüdlinien das Brander Netz mit dem Eupener Netz verband. Am 5. Mai 1907 wurde zunächst die 3,2 km lange, dem Laufe der Schleidener Straße folgende Überlandstraßenbahnstrecke von Kornelimünster nach Walheim (Linie „T“, ab 1909 Linie 26) eröffnet, der am 31. Oktober 1907 die 6,3 km lange Überlandstraßenbahn von Walheim über Sief nach Raeren und Eynatten (Linie „S“, ab 1909 Linie 25) folgte. Beide Linien verliefen nahe des Bahnhofs Walheim und boten in fußläufiger Entfernung Übergangsmöglichkeiten.
Daneben erhielt auch der Bahnhof Breinig eine Anbindung an das Aachener Straßenbahnnetz, als am 28. März 1913 die 3,1 km lange Straßenbahnlinie von Kornelimünster nach Breinig eröffnet wurde. Diese Linie kreuzte an der Falkenbachbrücke die Strecke Stolberg – Walheim und endete in Breinig vor dem Bahnhofsgebäude.

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Die Beschriftung der Güterwagen und die Gaslaterne beim Bahnhofsgebäude ermöglichen es, diese Postkarte der Länderbahnzeit zuzuordnen. Unten links ist zudem die 1907 eröffnete  Straßenbahnlinie von Walheim nach Sief abgebildet.

Der zweigleisige Ausbau zwischen Stolberg und Walheim fand zwischen 1907 und 1909 statt. Am 14. März 1907 wurden die Vorarbeiten zum zweigleisigen Ausbau der Strecke Stolberg – Walheim im Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Aachen (Nummer 136) angekündigt. Im September 1907 war der Baubeginn zur Verbreiterung der „Roestbachtalbrücke“ (Viadukt Rüst) und der Falkenbachbrücke sowie der Herstellung des zweiten Gleises. Bei den ursprünglich nur für den eingleisigen Betrieb errichteten Viadukten und Brücken fügte man dabei kurzerhand eine zweite baugleiche Konstruktion an. An der Struktur des Gemäuers kann man diese Verfahrensweise auch heute noch an allen Eisenbahnbrücken zwischen Stolberg-Hammer und Walheim erkennen. Bereits 1908 wird für die Strecke Stolberg – Walheim die Fertigstellung des zweiten Gleises zwischen Walheim und Schlausermühle gemeldet.
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Beim zweigleisigen Ausbau der Strecke wird an den ursprünglich nur eingleisig ausgeführten Rüstbach-Viadukt in Stolberg ein baugleicher zweiter Viadukt angefügt.

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Der Falkenbachviadukt nach seinem zweigleisigen Ausbau. Deutlich ist der angebaute Brückenteil für das zweite Streckengleis zu erkennen.

Im Bereich zwischen der Ortschaft Hahn und dem Bahnhof Walheim behielt man die getrennte Einfädelung der beiden Strecken bei. Neben der zweigleisig ausgebauten Strecke Stolberg – Walheim verlief weiterhin die eingleisige Strecke von Aachen nach Walheim, so dass die Bahntrasse dort dreigleisig ausgeführt wurde. Auch dies ist bis heute (Fotos vom 27. September 2009) beispielsweise an der kleinen Unterführung der Straße „Knipp“ noch sichtbar geblieben.
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Auch diese kleine Unterführung bei Hahn ist wegen ihrer Länge und der unterschiedlichen Bauweise der Gewölbeabschnitte ein bauliches Zeugnis des dreigleisigen Ausbaus.
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Am 21. September 1909 erfolgte die landespolizeiliche Abnahme des zweiten Streckengleises zwischen Walheim und Breinig. Schließlich folgte am 1. Oktober 1909 die offizielle Inbetriebnahme des zweiten Gleises durchgehend zwischen Stolberg-Hammer und Walheim. Gleichzeitig wurde diese Strecke zur Hauptbahn hochgestuft.

Nach dem zweigleisigen Ausbau nahm der Verkehr auf der jetzt als Hauptbahn betriebenen, leistungsfähigeren Vennbahn noch weiter zu und die Strecke erlebte ihre Blütezeit. Zu dieser Zeit kamen in Stolberg Hbf täglich rund 800 Waggons über die Strecke Stolberg – Walheim an.

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Der letzte Fahrplan aus Friedenszeiten.

Am 1. August 1914 begann der Erste Weltkrieg. Auch über die Strecke Stolberg – Walheim und den weiteren Verlauf der Vennbahn wurden in dieser Zeit in großer Zahl Militärtransporte nach Frankreich geleitet. Zum Schutz der wichtigen Versorgungslinie stand die Strecke zeitweise sogar unter Bewachung.
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Die militärischen Transporte hatten absoluten Vorrang. Während der Mobilmachung wurde der zivile Verkehr zunächst vollständig eingestellt und im weiteren Verlauf des Ersten Weltkrieges dann stark einschränkt.

Die zunehmende Verschlechterung der Versorgungslage infolge des Ersten Weltkrieges erforderte es, auch im Raum Walheim die Aachener Kleinbahn verstärkt für den Gütertransport zu nutzen. So errichtete die Aachener Kleinbahn im Jahre 1916 an der Nordseite des Bf. Walheim ein 190 m langes Anschlussgleis für den Güterumschlag.
Im gleichen Jahr nahm sie meterspurige Anschlussgleise zum Wasserwerk Schmithof (175 m) und Wasserwerk Brandenburg (1.300 m) in Betrieb. Gleisanschlüsse erhielten außerdem die Steinbrüche Laschet (50 m) und Hoven (150 m) in Sief.

Wegen der Verknappung der Rohstoffe war die Aachener Kleinbahn gezwungen, im Jahre 1916 zwischen Raeren und Sief die kupferne Fahrleitung abzubauen. Auf diesem Streckenabschnitt musste sie deshalb den Betrieb einstellen.

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Auch bei der preußischen Eisenbahn hatte sich im Fahrplan des Jahres 1917 das Zugangebot deutlich verringert.

Am 11. November 1918 wurde der Waffenstillstand vereinbart. Unmittelbar danach wurde bis zum 27. November 1918 der Rücktransport des geschlagenen deutschen Heeres und die Rückführung der deutschen Kriegsgefangenen unter anderem auch über die Vennbahn abgewickelt. Am 1. Dezember 1918 wurde das Rheinland von belgischen und französischen Truppen besetzt. Durch die Regelungen des Versailler Vertrags wurden die Kreise Eupen und Malmedy mit den dortigen Eisenbahnstrecken und Betriebsmitteln dem Königreich Belgien zugeschlagen. Mit dem Friedensvertrag vom 10. Januar 1920 wurde ab dem 13. Januar 1920 in Schmithof ein Grenzzollamt eingerichtet. Für den Eisenbahnverkehr wurde der Bahnhof Raeren zum Grenzbahnhof bestimmt, die Eisenbahnstrecken südlich und westlich von Raeren wurden dem Königreich Belgien zugeschlagen und von der belgischen Staatsbahn betrieben. Die SNCB setzte hier weiterhin die bewährten Loks der preußischenTypen G 8.1, T 14 und T 9.3 ein, die sie auf der Grundlage der Waffenstillstandsvereinbarungen erhalten hatte bzw. die zusammen mit den Vennbahnstrecken abgetreten werden mussten.

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