Wiedereröffnung des Eisenbahnverkehrs von Kornelimünster nach Walheim am 20. August 1950

Die Reichsbahndirektion Köln verzeichnete am Ende des Zweiten Weltkrieges verheerende Zerstörungen an ihren Bahnanlagen. Schon die zurückweichenden Einheiten der deutschen Wehrmacht hatten in der Region Aachen an der Strecke Stolberg – Walheim am 11. September 1944 die Falkenbachbrücke und den Rüstbachviadukt sowie am 13. September 1944 an der Strecke Aachen-Rothe Erde – Walheim den Iterbachviadukt und eine Straßenbrücke am Bahnhof Kornelimünster gesprengt.



Der Iterbachviadukt bei Kornelimünster nach seiner Sprengung durch Truppen der deutschen Wehrmacht, aufgenommen um 1945


Gesprengte Straßenbrücke am Bahnhof Kornelimünster, aufgenommen zwischen 1945 und 1948

Im November 1944 wurde zudem die Indebrücke zwischen Stolberg Hbf und Eschweiler Hbf (Strecke Köln – Aachen) gesprengt. Die heftigen Kämpfe im Rheinland zwischen September 1944 und März 1945 (Hürtgenwald, Ardennenoffensive, Überquerung der Rur) führten zusätzlich zu schweren Zerstörungen durch Bodenkämpfe und Luftangriffe.

Gleichwohl gelang es den US-Truppen, schon im Februar und März 1945 einzelne Eisenbahnlinien für Nachschubtransporte zu nutzen. Eine dieser Verbindungen verlief von Lüttich über Eupen, Raeren, Stolberg, Düren und Euskirchen nach Bonn. Ab Mitte 1945 übertrugen die US-Streitkräfte den Bahnverkehr wieder schrittweise an die Deutsche Reichsbahn, die nun allerorten begann, den Wiederaufbau zu organisieren und den Zugverkehr wieder aufzunehmen. Im Jahre 1948 fand in der Region Aachen auf vielen Strecken schon wieder ein regelmäßiger Zugverkehr statt und viele Stellwerke und Betriebsanlagen waren wieder nutzbar.

Dennoch war das Ausmaß der Kriegszerstörungen so groß, dass selbst 1949 im damaligen Regierungsbezirk Aachen über 100 km Bahnstrecken immer noch nicht betriebsfähig waren. Im Grenzland um Aachen betraf dies u.a. die Streckenabschnitte Jülich – Baal, Kohlscheid – Würselen, Kornelimünster – Walheim, Zerkall – Heimbach und Oberhausen – Hellenthal.

In einem Bericht der „Aachener Volkszeitung“ vom 02. März 1949 wurde dazu der Eindruck beschrieben, dass die Reichsbahn mit ihrer Monopolstellung von dem Gedanken ausgehe, nur lukrative Strecken auszubauen. Dies wäre zwar finanzpolitisch verständlich, politisch aber unhaltbar. Der damalige Landtagsabgeordnete Dr. Leo Schwenning trug dieses Problem 1948/49 in den nordrhein-westfälischen Landtag.


Der gesprengte Iterbachviadukt bei Kornelimünster, aufgenommen um 1948

Da die Deutsche Reichsbahn mit ihren Mitteln nicht in der Lage war, diese Wiederaufbauleistungen alleine zu tragen, entschloss sich das Land 1949, zur Linderung der schwierigen Situation des Grenzlandes die Hälfte der von der Deutschen Reichsbahn aufzuwendenden Kosten zu übernehmen. Gleichzeitig forderte das Land aber auch eine Beschleunigung des Wiederaufbaus. Für die Wiederherstellung des gesprengten Iterbachviadukts wurden in diesem Zusammenhang bspw. Gesamtkosten von 130.000 DM veranschlagt. Damit war  für die Wiederherstellung des Streckenabschnitts von Kornelimünster nach Walheim der Weg nun endlich frei.

Am 20. August 1950 fand schließlich die Wiedereröffnung des Zugverkehrs auf diesem Streckenabschnitt statt. Die im Bw Stolberg stationierte Lok 74 608 hatte die Ehre, den Eröffnungssonderzug zu befördern.


74 608 mit dem Eröffnungssonderzug auf dem geschmückten Iterbachviadukt


Am wiederaufgebauten Iterbachviadukt fand eine kleine Feier statt. Vertreter aus Politik und Wirtschaft blickten hoffnungsvoll in die Zukunft und gaben ihrer Freude und ihrem Stolz über die erreichte Wiederaufbauleistung Ausdruck.


Das Lokpersonal der 74 608 hielt sich angesichts der Prominenz offenbar etwas im Hintergrund.



Auf der Rückfahrt passierte die geschmückte 74 608 mit dem Eröffnungssonderzug nahe beim Bahnhof Kornelimünster auch die in zeitgemäßer Form ebenfalls wiederaufgebaute Brücke über die Schleckheimer Straße.

Bis zur Wiederaufnahme des Eisenbahnverkehrs zwischen Kornelimünster und Walheim hatte sich der Personennahverkehr nach 1945 auf die parallel verlaufende Straßenbahnlinie und die Busse des kommunalen Verkehrsunternehmens ASEAG verlagert. Gleichzeitig setzte zu Beginn der 1950er Jahre auch die eigene Motorisierung der Bevölkerung ein. Zur Werbung für ihr neu eingerichtetes Verkehrsangebot verteilte die Deutsche Bundesbahn deshalb seinerzeit dieses Faltblatt:

In der ersten Hälfte der 1950er Jahre kämpfte die Deutsche Bundesbahn ehrgeizig um ihre Fahrgäste. Mit der Schaffung neuer, näher an den Bahnkunden liegender Haltepunkte wie beispielsweise am Philipswerk in Aachen-Rothe Erde, in Niederforstbach oder in Hahn, dem Einsatz von Schienenbussen (VT 95) und einem dichteren Fahrplan versuchte man, Fahrgäste zurück- bzw. hinzuzugewinnen.

Dennoch konnte die Deutsche Bundesbahn sich auf der Strecke Aachen-Rothe Erde – Walheim – Schmithof nicht mehr erfolgreich behaupten. Mit dem Sommerfahrplan 1955 wurde der Reisezugverkehr auf der Strecke von Walheim nach Aachen bereits auf nur noch 3 Zugpaare an Werktagen reduziert. Schon der Winterplan 1955/56 wies zwischen Kornelimünster und Walheim nur noch ein werktägliches GmP-Paar auf.  Ab dem Sommerplan 1959 verkehrte dieses werktägliche GmP-Paar nurmehr von Aachen-Rothe Erde bis Kornelimünster. Zwischen Kornelimünster und Walheim fuhren keine planmäßigen Reisezüge mehr. Am 29. Mai 1960 wurde der Personenverkehr zwischen Aachen-Rothe Erde und Walheim vollständig eingestellt. Zum 01. September 1960 folgte die Stillegung des Güterverkehrs zwischen Walheim und Kornelimünster. Im Jahre 1960 wird bei der Deutschen Bundesbahn zur Strecke Aachen-Rothe Erde – Walheim der Rückbau von 1,79 km eingleisiger Nebenbahn von km 11,45 bis km 13,24 angegeben. In diesem Zusammenhang hatte die DB bei der ehemaligen Abzweigung Hahn mit einer neu eingebauten, ortsbedienten Handweiche noch eine Anbindung der Aachener Strecke für Ausnahmefälle offengehalten. Bis Ende der 1970er Jahre lag ein rostiges Gleis auf der Trasse.



Auf diesem Luftbild aus dem Jahre 1959 sind unten rechts die Strecke nach Kornelimünster und der wiederaufgebaute Iterbachviadukt sowie oben links die nur provisorisch befahrbar gemachte Falkenbachbrücke der Strecke Stolberg – Walheim zu erkennen.

Kurioserweise hat der solide wiederaufgebaute Iterbachviadukt bzw. der Streckenabschnitt zwischen Kornelimünster und Walheim nur noch rd. 10 Jahre einem regelmäßigen Bahnverkehr gedient, während die in Sichtweite liegende, seit dem Zweiten Weltkrieg nur provisorisch wiederhergestellte Falkenbachbrücke noch bis 1991 in vollem Betrieb stand und auch schwere Panzertransporte und umgeleitete übergroße Schwertransporte bewältigen musste. Bis 1998 wurde sie  von den touristischen Schienenbusfahrten der deutschen Vennbahn und bis 2000 von gelegentlichen Sonderfahrten passiert. Noch im Jahre 2001 befuhr sogar ein Talent-Triebwagen der Euregiobahn die Falkenbachbrücke auf einer Probefahrt nach Eupen, bevor hier der Eisenbahnverkehr wegen des schlechten Streckenzustandes eingestellt werden musste.

Während der in ursprünglicher Form wiederaufgebaute Iterbachviadukt sich damit als Fehlinvestition erwiesen hatte und heute als Fahrradweg genutzt wird, wartet die wegen fehlender Investitionsmittel immer noch nur als Provisorium verbliebene Falkenbachbrücke auf eine wie auch immer geartete Instandsetzung, um wieder weiterem Eisenbahnverkehr dienen zu können.


Am 30. April 1994 passierte der Eröffnungszug der deutschen Vennbahn auf seinem Weg von Stolberg nach Monschau die immer noch von Kriegszerstörungen gezeichnete Falkenbachbrücke unweit von Kornelimünster.

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