Das Stellwerk „Sl“

Dieses Stellwerk wurde um das Jahr 1884 von der Preußischen Staatsbahn für den Bahnhof Stolberg-Velau errichtet. Die Bergisch-Märkischen Eisenbahn (BME) hatte ihre 1873 eröffnete, von Hochneukirch über Jülich kommende Strecke seinerzeit in Eschweiler-Aue als Kopfbahnhof enden lassen, um ihren Konkurrenten keine Mitbenutzung erlauben zu müssen. Die rd. 2 km lange Streckenverlängerung vom Bahnhof Eschweiler Aue nach Stolberg wurde deshalb erst nachträglich von der preußischen Staatseisenbahn (KPEV) erbaut. Nachdem die BME zum 01. Januar 1882 verstaatlicht worden war und die KPEV am 26. November 1882 die Genehmigung zur Verlängerung der Eschweiler Talbahnstrecke bis nach Stolberg erhalten hatte, wurde die Strecke einschließlich des Bahnhofs Stolberg-Velau am 15. Oktober 1884 eröffnet. Weil aber kurze Zeit später auch die Rheinische Eisenbahn (1886) und die Aachen-Jülicher Eisenbahn (1887, vormals noch „Aachener Industriebahn“) verstaatlicht wurden und in Stolberg der Weg zur Schaffung eines Zentralbahnhofes frei war, erfuhr der Bahnhof Stolberg-Velau schon kurz nach Fertigstellung erhebliche Veränderungen. So diente das Stellwerk “Sl” nur wenige Jahre alleine dem Bahnhof Velau. Mit  der Eröffnung der von der KPEV gebauten sog. „Verbindungsbahn“  zu den Anlagen des ehemaligen Bahnhofs  Stolberg-Atsch der ehemaligen Aachener Industriebahn am 07. November 1890  wurde „Sl“ für den Zugverkehr zwischen dem Bezirk IV und der Verbindungsbahn zuständig. Nach der Auflösung des Bahnhofs Velau übernahm das Stellwerk “Sl” zusätzlich auch den Rangierbetrieb am Ablaufberg des Bezirks IV westlich des Bahnbetriebswerks. Zusätzlich wurde von “Sl” auch der Zugang des Bahnbetriebswerks Stolberg zum Stolberger Hauptbahnhof gesteuert.

Vom 10. Februar 1985 datieren diese drei Aufnahmen des Stellwerks „Sl“. Der Schnee verdeckt die erheblichen Rückbauten der Gleisanlagen. Der Anschluss des Bahnbetriebswerks ist hier schon vollständig entfernt.
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Das Stellwerk “Sl” hatte einen relativ wuchtigen Baukörpermit einem innenliegenden Treppenhaus. Die abgewinkelt gemauerte Südseite verschaffte ihm aber aus dieser Perspektive einen aufgelockerten Eindruck. Das Stellwerk hatte ein Walmdach mit einer weiten Überkragung, die als Blendschutz diente. Die beiden auf dem Dach sichtbaren Streben könnte die ehemalige Befestigung einer großen Uhr gewesen sein. Der Standort des Stellwerks lag im Süden des Bezirks IV, dicht am Abweig der Verbindungsbahn und nahe der Unterführung des Fußwegs von Güterschuppen zum Bahnbetriebswerk.

Wegen der Kriegsschäden an den Bahnanlagen und den Schäden an der Verbindungsbahn ging das Stellwerk „Sl“ erst 1950 wieder in Betrieb.

Am 10. Juli 1972 hatte der Fotograf Brinkmann die Südwestseite des Stellwerks „Sl“ für das Stadtarchiv Stolberg fotografiert.
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Vom Norden aus, d.h. beim Blick aus dem Bezirk IV in Richtung Bahnbetriebswerk, bot das Stellwerk „Sl“ im Februar 1976 diesen leicht verkommenen Anblick.

Vom Stellwerk aus ergab sich beim Blick nach Westen diese Sicht auf die Verbindungsbahn und das Rangiermeisterbüro.
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Am gleichen Tag hatte jener Fotograf auch den Blick des Weichenwärters gen Süden auf den Ablaufberg des Rangierbezirks IV sowie die Zufahrt zum Bahnbetriebswerk verewigt.  Am Ablaufberg steht die Rangierlok 260 588.
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Bei meiner ersten Fototour über den Stolberger Hauptbahnhof am 02. April 1974 hatte ich ein ähnliches Foto vom Rangierbetrieb mit der Lok 260 588 aufgenommen.
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Auch der Zugang aus dem Bahnbetriebswerk war mir am 02. April 1974 ein Foto wert. Hier fuhr die Stolberger Dampflok 052 928 von der Bekohlungsanlage her kommend in den Rangierbezirk IV ein, während im Betriebswerk die Lok 051 565 an der Drehscheibe auf Ausfahrt wartete und kurze Zeit später den Weichenwärter auf dem Stellwerk „Sl“ ebenfalls beschäftigt hatte.
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Wenige Tage vorher, am 27. März 1974, hatte mein Bruder eine ähnliche Szene zusammen mit dem Stellwerk „Sl“ aus dem Führerhaus der Rangierlok 260 588 heraus fotografiert.
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Lokomotiven, die vom Bw Stolberg aus in den Stolberger Hauptbahnhof einfahren wollten, mussten sich an dieser Rufsäule beim Stellwerk „Sl“ anmelden (Foto vom 16. Oktober 1974).

Nach Norden hatte der Weichenwärter vom Stellwerk „Sl“ aus diesen Blick auf den Rangierbezirk IV. Rechts, frisch geschottert, verläuft das Lokomotivverkehrsgleis 65 vom Bahnbetriebswerk zum Nordostrand des Stolberger Hauptbahnhofs und bietet den Loks von dort aus günstige Einfädelungsmöglichkeiten. Auf der Brachfläche links vom Lokomotivverkehrsgleis befanden sich die Rangiergleise 61-64, die zum Aufnahmezeitpunkt im Juni 1974 bereits abgebaut waren.
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Vom Fuß des Propsteierwaldes aus gesehen, sah der Blick von Nord nach Süd am 12. Mai 1985 so aus. Bei dem am linken Bildrand stehenden Gruppenausfahrsignal (D 20/34) ist rechts vom Signalmast im Hintergrund das Stellwerk „Sl“ sichtbar.
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In der ersten Hälfte der 1980er Jahre änderte sich das Umfeld des Stellwerks „Sl“ gewaltig. Mit Wirkung vom 01. Juli 1980 verlor Stolberg Hbf seine Funktion als Rangierbahnhof. In der Folge wurden der Ablaufberg im Rangierbezirk IV und die Verbindungsbahn immer weniger genutzt. Zudem war das Betriebswerk mit Wirkung zum 01. Januar 1983 zum „Stützpunkt Stolberg“ des Betriebswerkes Aachen herabgestuft worden. Die Bw-Anlagen waren aber schon seit etwa 1981/82 nicht mehr benutzt worden. Im Jahre 1983 wurden sie vollständig beseitigt. Im Gleisplan von 1986 war das Stellwerk „Sl“ schon weitgehend bedeutungslos geworden, wie diese beiden Auszüge belegen.
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Das Stellwerk “Sl” war mit einem Schlüsselwerk zur Fahrstraßenfestlegung ausgerüstet und behielt bis zuletzt seine mechanische Technik. Nach Schilderungen älterer Stolberger Eisenbahner soll das Stellwerk „Sl“ vor dem Zweiten Weltkrieg ursprünglich mit einem Felderblock ausgestattet gewesen sein.

Mit der Inbetriebnahme des Zentralstellwerks “Sf” am 21. August 1986 wurde „Sl“ außer Dienst gestellt und im Laufe des Jahres 1987 abgebrochen.

(letzte Bearbeitung/Stand: 19. September 2010)