Der Servicepunkt am Stolberger Hauptbahnhof – vor dem Aus?

Der Servicepunkt am Stolberger Hauptbahnhof ist einer der Bausteine, die in den vergangenen Jahren der Attraktivität des Stolberger Hauptbahnhofs im Reisezugverkehr spürbar verbessert haben.

Als die „Euregio Verkehrsschienennetz GmbH“ (EVS) das von der Deutschen Bahn AG arg vernachlässigte Empfangsgebäude des Stolberger Hauptbahnhofs übernommen und zum modernen Firmensitz umgestaltet hat, unterstützte die EVS auch das Interesse an der Schaffung einer öffentlichen Toilette und an der Einrichtung einer Serviceeinrichtung für Fahrgäste und Bahnkunden. Neben den Nutzungen als Verwaltungsgebäude und zentrales elektronisches Stellwerk für das Schienennetz der EVS konnte in dem historischen Bahnhofsgebäude deshalb auch die Einrichtung des Servicepunktes realisiert werden. Ergänzend ist dort zudem eine moderne und stets gepflegte Toilettenanlage eingerichtet worden. Zusätzlich zu den Tischen innerhalb des Servicepunktes gibt es im Foyer des EVS-Gebäudes einen komfortablen Wartebereich mit bequemen Sesseln und einer Couch, der von allen Reisenden zwangslos genutzt werden kann.
Für Reisende, die am Stolberger Hauptbahnhof ankommen oder umsteigen, ist der Servicepunkt eine ansprechende Visitenkarte, die den ersten Eindruck von der Stadt Stolberg prägt und sich wohltuend von den Eindrücken abhebt, den die primitive Ausstattung der Bahnsteige, die Dauerbaustelle am Zugang zum Mittelbahnsteig und die schäbige Industriebrache an der Probsteistraße erzeugen.


Das Personal des Servicepunktes ist stets freundlich und kümmert sich mit viel Herzblut um das Wohl der Gäste. Individuell zubereitete Snacks aus frischen Zutaten, die sich wohltuend von der Massenware verschiedener Backwaren-Ketten abheben, ergänzten die diversen schmackhaften Kaffeesorten, die stets frisch zubereitet werden. Selbstverständlich wurde auch ein größeres Sortiment an Getränken und anderem Reisebedarf angeboten. Frisches Obst, Zeitschriften und Grußkarten gehörten ebenso zum Warenangebot des Servicepunktes. So ist es kein Wunder, dass der Servicepunkt für viele Berufspendler ein fester Anlaufpunkt ihres morgendlichen Weges zur Arbeit geworden ist. Auch viele Eisenbahnerinnen und Eisenbahner steuern in ihren Pausen zwischen zwei Zügen gerne den Servicepunkt an. Unter Eisenbahnfreunden hat sich der Servicepunkt als „Geheimtipp“ herumgesprochen, weil hier neben guter Bewirtung ein Logenplatz mit gutem Ausblick auf den interessanten Zugverkehr geboten wird.

Einen gewissen Kultstatus hat der Servicepunkt auch im Zusammenhang mit dem „Frühschoppen für Eisenbahnfreunde“ erlangt. Mehr als 50 x hatten Eisenbahnfreunde dabei schon Gelegenheit, im Foyer des EVS-Gebäudes und bei der guten Bewirtung durch das Team des Servicepunktes gemeinsam ihrem Hobby zu frönen.

Seit Februar 2020 ist diese vorbildliche Einrichtung nun aus wirtschaftlichen Gründen in seiner Existenz bedroht. Mit einer drastischen Kürzung der Öffnungszeiten und der Schließung am Wochenende wurde der Rückzug vom Kunden bereits eingeleitet. Der Fortbestand des Servicepunktes ist derzeit nur noch bis Ende April 2020 gesichert.
Wie es danach weitergeht, ist noch nicht geklärt.

Auch wenn der Servicepunkt nicht in der Stolberger Altstadt liegt und kein Touristenmagnet ist, so ist er doch einer der Stolberger Orte, die eher unscheinbar zum positiven Bild der Stadt beitragen. Die Stadt Stolberg wandelt sich von einer Industriestadt zum attraktiven Wohnstandort am Rand von Aachen. Der Stolberger Hauptbahnhof erfreut sich als Verknüpfungspunkt zum umweltfreundlichen öffentlichen Nahverkehr beständig wachsender Nachfrage. Die lebhafte Nutzung des neuen Parkhauses bestätigt dies täglich aufs Neue. Der Servicepunkt bietet sich als Treffpunkt für Gruppen an, um vom Stolberger Hauptbahnhof aus eine Reise anzutreten oder eine Fahrradtour auf einer der Stolberger Fahrradrouten zu beginnen oder zu beenden. Hier kann man fühlen, dass Stolberg eine Stadt mit einer modernen, aufstrebenden und in die Zukunft gewandten Eisenbahninfrastruktur ist. Hier wird bewiesen, dass es in Stolberg fahrgastfreundliche Einrichtungen  gibt, die sich wohltuend vom üblichen mangelhaften Erscheinungsbild der Deutschen Bahn AG abheben, das bspw. immer noch die heute eigentlich selbstverständliche Barrierefreiheit am Zugang zum Mittelbahnsteig vermissen lässt. Hier war der Servicepunkt bisher eine Visitenkarte, die zeigte, dass man in Stolberg wusste, wie man es besser machen kann.

Wärmstens empfehlen konnte man einen Besuch des Servicepunktes auch Menschen, die sich für die Eisenbahn begeistern und Interesse am Bahnbetrieb haben. Es gibt kaum einen besseren Ort in Stolberg, um in angenehmer Umgebung intensiven Bahnbetrieb zu erleben.

 

Kann man etwas Gutes wie den Servicepunkt noch verbessern?
Nun ja, da gibt es Ideen….

– Man kann den Servicepunkt bspw. auch im Rahmen des Fahrradtourismus stärker bewerben und in entsprechenden Medien als Start- oder Zielpunkt für Fahrradtouren präsentieren. Ganz besonders könnte man den Servicepunkt für Fahrradtouren unter Einbeziehung des „Stolberger Vennbahnradweg“ oder entlang der Euregiobahnstrecken oder auf ehemaligen Straßenbahntrassen rund um Stolberg etablieren. Die Stadt Stolberg bzw. die Städte Region haben das Potenzial dieses Servicepunktes vielleicht noch nicht wirklich erfasst.

– Im Rahmen des Stadtmarketings könnte der Servicepunkt als Eingangs- oder Ausgangstor der Stadt ein Ort sein, an dem Stolberger Geschäftsleute regionale Produkte anbieten und für einen Besuch ihrer Geschäfte im Stadtgebiet werben. Wenn diese Produkte vom Servicepunkt in Kommission verkauft würden, könnte damit der Aufwand für den Servicepunkt vielleicht in vertretbaren Grenzen gehalten werden.

– Vielleicht könnte eine am EVS-Gebäude angebrachte Leuchtwerbung, auch wenn sie mit Rücksicht auf das Denkmal ausgewogen proportioniert wäre, dem Servicepunkt gut tun. Ergänzend könnte man die Werbung für den Servicepunkt auch im Bereich des P&R-Parkhauses und am Zugang zu der Fußgängerbrücke optimieren.

– Wenn die „Pergola“ am Gleis 43 ein lichtdurchlässiges Dach bekommen und ein kleiner Teil des Hausbahnsteigs dezent eingefasst würde, wäre eine kleine, aber feine Außengastronomie denkbar. Die Fahrgeschwindigkeiten auf den Gleisen des Stolberger Hauptbahnhofs haben sich – gegenüber den Zeiten, als die Bedachung noch vorhanden war – nicht geändert und werden sich vsl. auch in absehbarer Zeit nicht ändern. (Vorbilder für eine „Gleis-nahe“ Außengastronomie gibt es bei anderen Bahnhöfen…).

– Das Erfolgsmodell des „Frühschoppen für Eisenbahnfreunde“ könnte Ansporn sein, die Räumlichkeiten auch für andere kulturelle Veranstaltungen zu nutzen. Wer weiß, was das Team des Servicepunktes und die EVS als Hausherrin hier evtl. mittragen würden?

– Im Foyer des EVS-Gebäudes oder im Bereich das Bahnsteiges am Gleis 43 könnte man einen öffentlichen Bücherschrank aufstellen, der dazu einlädt, im Bereich des Servicepunktes bei einer Tasse Kaffee o.ä. in der angebotenen Literatur zu schmökern. Auch Berufspendler könnten hier evtl. Lesestoff für ihre Fahrten finden. Als „spezielle Note“ könnte solch ein Bücherschrank bei der besonderen Standortgunst evtl. auch einen Bereich mit Literatur für Eisenbahnfreunde aufweisen. Auch dies könnte ein Anreiz zur Steigerung der Kundenfrequenz sein…

– Möglicherweise könnte sich die Stadt Stolberg auch überzeugen lassen, den Servicepunkt bzw. seinen Betreiber mit öffentlichen Zuschüssen zu unterstützen, weil der Servicepunkt an prominenter Stelle zum positiven Image der Stadt beiträgt.

Es wäre sehr bedauerlich, wenn es in Stolberg nicht gelingen sollte, eine für die Stadt und ihre Bürger so vorteilhafte Einrichtung wie den Servicepunkt dauerhaft zu erhalten…

Wie dieser Auszug aus einem Bericht der Stolberger Nachrichten vom 03. November 2012 zeigt, war die Einrichtung des Servicepunktes mit großen Erwartungen an eine Steigerung der Attraktivität des Stolberger Hauptbahnhofs verbunden worden….

Einer guten Entwicklung des Servicepunktes wurden dann jedoch sehr viele Steine in den Weg gelegt. Mit einer Vielzahl von langwierigen Baustellen, so bspw. zum Ausbau der Rhenaniastraße und des Bahnhofsvorplatzes in mehreren Schritten, zum Bau des P&R-Parkhauses und zur Umgestaltung des heute faktisch unkomfortabler gewordenen Zugangs zum Mittelbahnsteig, bei der fast zwei Jahre lang eine Behelfsbrücke den Zugang weit abseits des Servicepunktes erzwang, wurde dem Servicepunkt die Möglichkeit zur Entfaltung seines Potenzials vorenthalten. Die Durststrecken waren dabei unverhältnismäßig länger als die Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Erholung…