Selbst schuld?

Unter der Überschrift „Mann stirbt auf den Gleisen“ berichtete auch der „SuperMittwoch“ am 27. Februar 2019 über den Todesfall vom 23. Februar 2019 auf dem Stolberger Hauptbahnhof.

Zum Hergang des Ereignisses bzw. dem Stand der Ermittlungen erläutert der „SuperMittwoch“, dass die getötete Person gegen 19 Uhr versuchte, vom Gleis 43 zum Gleis 2 zu gelangen und im mittleren Bereich der Bahnanlagen vor dem Erreichen des Mittelbahnsteiges von einem in Richtung Köln fahrenden Güterzug erfasst wurde. In dem Bericht heißt es u.a. , „bei Eintreffen der Streifen der Bundespolizei waren bereits Rettungsdienst, Feuerwehr, Notfallmanager der Deutschen Bahn und die Landespolizei vor Ort“. Weiter wird berichtet „Aufgrund der laufenden Bauarbeiten am Hauptbahnhof wurde eine Behelfsbrücke zum Erreichen der verschiedenen Bahnsteige errichtet. Diese dient dem sicheren Überqueren der Gleisanlagen. Leider wird diese Behelfsbrücke aus unerklärlichen Gründen teilweise nicht genutzt. Die Bundespolizei hatte bereits in der Vergangenheit davor gewarnt. Es gibt immer wieder Reisende, die besonders die lebensgefährliche Abkürzung über die Gleise wählen. Augenscheinlich unterschätzen viele die Gefahren, die dort lauern.“

Wenn sich im Straßenverkehr an bestimmten Stellen Unfallschwerpunkte entwickeln oder vermehrt gefährliche Verkehrssituationen zeigen, dann finden dort regelmäßig Untersuchungen der Ursachen statt, die günstigenfalls in die Entwicklung von Schutz- oder Verbesserungsmaßnahmen münden. Dies sei bei der im „SuperMittwoch“ beschriebenen Situation wohl auch im Fall des Stolberger Hauptbahnhofs erlaubt.

Aus eigener Wahrnehmung als Bahnpendler und regelmäßiger Beobachter des Bahnbetriebs am Stolberger Hauptbahnhof kann ich die Feststellung der Bundespolizei hinsichtlich des vermehrten wilden Überquerens der Gleise 2 und 43 bestätigen. Insbesondere bei der Ankunft von Zügen der Linie RE 1 aus Richtung Köln ist dies nachmittags und abends sehr häufig zu beobachten.

Natürlich gibt es uneinsichtige Menschen, die sich um Verbote, Vorschriften  und Empfehlungen wenig scheren und für ihr Fehlverhalten letztlich selbst verantwortlich sind. Zur Häufung des verbotenen Überquerens der Gleise auf dem Stolberger Hauptbahnhof könnten meines Erachtens aber folgende Aspekte auch beitragen:

  • Die Behelfsbrücke steht an der so ziemlich ungünstigsten Stelle zum Verlassen des Bahnsteiges. Ihre Benutzung verursacht den längsten möglichen Umweg. Zum Erreichen der Gleise 43 und 44 sowie 27 muss man einen weiten Bogen um das Parkhaus herum gehen. Wer durch das Parkhaus abkürzen will, gerät dort in zusätzliche Gefahren durch den Autoverkehr im Parkhaus.
  • Für ortsunkundige Menschen, die auf dem Bahnhofsvorplatz ankommen und den Weg zum Mittelbahnsteig mit den Gleisen 1 und 2 suchen, sind Wegweiser, Wegbeschreibungen und Hinweisschilder  nur völlig unzureichend vorhanden.
  • Mit ihren 106 Stufen ist die Behelfsbrücke eine gewaltige Zumutung für die Reisenden. Beim Benutzen der Brücke werden Reisende häufig von schwefelhaltigen Gerüchen umwabert, die bisweilen Übelkeit erregen. Es wurden auch schon Menschen gesehen, die auf Krücken (!) die Gleise überquerten, um sich die Behelfsbrückentour zu ersparen…
  • Wegen der häufigen Verspätungen von Zügen aus Richtung Köln und den beim Verlust von Anschlusszügen hinzunehmenden rund einstündigen Wartezeiten für RB 20-Züge nach Alsdorf bzw. am Wochenende auch nach Eschweiler-Tal und Stolberg-Altstadt gibt es „Verzweiflungstäter“, die situationsbedingt zum Überschreiten der Gleise verleitet werden. Wer schon einmal eine Stunde auf den kalten und windigen Bahnsteigen des Stolberger Hauptbahnhofs auf einen Anschlusszug gewartet hat, mag dies nachempfinden können.
  • Zudem gibt es Reisende, die von der langen Bauzeit für eine simple Fußgängerbrücke einfach nur genervt sind. Vielleicht sollten sich die für dieses Bauprojekt zuständigen Experten einmal ernsthaft fragen, ob man Bahnkunden so eine lange Bauzeit wie im vorliegenden Fall und die damit verbundenen Umstände am Stolberger Hauptbahnhof wirklich zumuten muss. Es kann doch nicht soo schwer sein, eine Fußgängerbrücke aus vorgefertigten Bauteilen in einer vertretbaren Bauzeit aufzustellen. Selbst wenn man unter Verzicht auf die immer noch fehlenden Aufzugsanlagen die neue Fußgängerbrücke für den Bahnkunden endlich nutzbar machen würde, wäre das gegenüber der unseligen Behelfsbrücke schon eine spürbare Verbesserung mit deutlicher Verkürzung der Wege und Umsteigezeiten.

Hoffentlich gibt es hier nicht noch mehr Todesfälle, das wünscht sich

Roland Keller