Faire Benutzungsregelungen für Bahnkunden – Denkanstöße

Faire Benutzungsregelungen für Bahnkunden – Denkanstöße

Wer die Bahn (oder andere öffentliche Verkehrsmittel) benutzen will, wird regelmäßig angehalten, den Fahrpreis vor Antritt der Fahrt zu bezahlen. In der alltäglichen Praxis ist es jedoch häufig so, dass Kunden für die im Voraus und in voller Höhe entrichteten Fahrgelder wegen Verspätung, Ausfällen, Anschlussverlusten oder aus anderen Gründen nur mangelhafte Gegenleistungen erhalten oder auch ganz leer ausgehen. Das Bemühen um Fahrkosten-Rückerstattungen ist anschließend für Bahnkunden nicht nur mit zusätzlichem Aufwand verbunden. Häufig gibt es auch Mindestbetragsgrenzen oder pauschalierte Erstattungssätze, die den Interessen der Kunden und den erlittenen Nachteilen wie bspw. Verlusten von Arbeitszeit nicht gerecht werden.

Da es bereits heute Möglichkeiten gibt, die Fahrkosten für öffentliche Verkehrsmittel digital und automatisch so abzurechnen, dass bei jeder Fahrt Beginn und Ende der jeweiligen Fahrt mit Zeit und Ort erfasst werden und davon ausgehend der jeweils günstigste Tarif berechnet wird, könnte man solche Systeme auch weiterentwickeln und dazu nutzen, faire Benutzungsregelungen für Bahnkunden zu schaffen.

So wäre es bspw. denkbar, ein System zu entwickeln, bei dem die Kunden – auf freiwilliger Basis – beim Kauf eines Fahrscheins ihre konkreten Reiseabsichten angeben. Dabei könnten Startzeit, Reiseweg und vorgesehener Fahrtverlauf mit Linienwegen und Umsteigepunkten sowie die fahrplanmäßig vorgesehene Ankunftszeit (also der „Sollwert“) vor Antritt der Fahrt eingegeben werden. Anschließend könnte der reale Ablauf der Fahrt (= „Istwert“) erfasst werden. Aus dem Vergleich von Soll und Ist kann man den Bahnkunden bei Abweichungen vom Fahrverlauf anschließend eine angemessene Rückerstattung des Fahrpreises sowie ggf. einen angemessenen Schadensersatz für Zusatzaufwendungen (bspw. Taxikosten, Hotelübernachtungen o.ä.) gewähren. Bei bargeldlosem Fahrscheinkauf könnte bspw. auch unmittelbar nach Abschluss einer mangelhaften Fahrt eine automatisierte (Teil-)Rückerstattung des Fahrpreises erfolgen.

Die dabei gewonnenen Daten könnten gleichzeitig genutzt werden, um die Transparenz über die Mängel des Angebots der öffentlichen Verkehrsmittel zu verbessern, Fehlerquellen besser erkennen und analysieren zu können und davon ausgehend punktgenaue Abhilfemöglichkeiten zu entwickeln.
Anhand der regelmäßig gewonnenen realen Daten zu den erfassten Fahrtverläufen könnte man Kunden zudem auch im Voraus Hinweise auf zu erwartende Probleme geben bzw. Angaben zu den statistisch absehbaren Fahrzeitabweichungen liefern, die Kunden bei der Reiseplanung vorausschauend berücksichtigen könnten.

Falls es Kunden gelingen würde, die Ursache von Störungen näher aufzuklären (bspw. Streckensperrungen wegen herabgefallener Äste oder umgestürzter Bäume, weil die Vegetationspflege vernachlässigt wurde oder Einstellung des Bahnbetriebs im Winter, weil der Netzbetreiber regional keine Schneepflüge oder Schneeräummöglichkeiten vorgehalten hat oder die Instandhaltung von Weichenheizungen vernachlässigt hat) und in der Folge begründete Hinweise für ein Organisationsverschulden sichtbar werden, könnten Netzbetreiber oder Verkehrsunternehmen auch immer dann zu Schadensersatzleistungen für Kunden verpflichtet werden, wenn sie im Wege einer Beweislastumkehr nicht nachweisen können, dass Störungen tatsächlich auf höhere Gewalt zurückzuführen sind und auch bei angemessener Vorsorge nicht zu vermeiden gewesen wären.

Anhand der konkret erfassten Schlechtleistungen oder Leistungsausfälle ließen sich außerdem individuelle Leistungsbilanzen für Verkehrsunternehmen, Verkehrsverbünde oder Nahverkehrszweckverbände ebenso wie von Netzbetreibern erstellen, die man dazu nutzen könnte, bei den jeweiligen Verantwortungsträgern entsprechend ihrer persönlichen Verantwortung und Funktion anstelle von Bonuszahlungen fallweise auch Abschläge (Maluszahlungen) von vereinbarten Gehältern einzufordern oder diese schlimmstenfalls auch von ihren Aufgaben zu entbinden.