Der 5. April 1976, ein Montag, war „der Tag danach“. Das war der Tag, als der Veranstaltungsort aufgeräumt wurde, viele der beteiligten Gastloks ihre Rückreise antraten und der Alltag wieder in das Bahnbetriebswerk einzog. Wie ging es an diesem Tag im Bahnbetriebswerk Stolberg zu?
Im Gegensatz zum zweiten Tag des Abschiedsfestes, der mit einem trüben Morgen begann und in einem verregneten Nachmittag endete, strahlte am 5. April 1976 wieder die Sonne. An diesem Morgen konnte man immer wieder die verschiedensten Pfiffe von Dampfloks hören. Vereinzelt war auch lautstarkes Anfahren zu vernehmen. Obwohl ich an den beiden vorangegangenen Tagen schon „Dampflok total“ erlebt hatte, zog es mich wieder zum Bahnbetriebswerk hin. Wenn das das Ende mit Dampfloks in Stolberg sein sollte, so wollte ich es bis zur Neige auskosten. Ich kaufte noch flott einen 36-Bilder-Farbnegativfilm AGFA CN17, um danach wieder bei den „Schwarzen“ zu sein. Auf dem Bw-Gelände war bereits eine größere Schar von Eisenbahnfreunden versammelt.
Ich mischte mich darunter und tauchte in den abwechslungsreichen Schlussteil des Dampflokabschiedsfestes ein. Die Stolberger Bw-Mannschaft war auch an diesem Tag vollbeschäftigt.
Wie in den 60er Jahren im Bw Stolberg alltäglich, stand die 55 3345 der DGEG stilecht (wenn auch ohne Lampen) und an alte Zeiten erinnernd im Stolberger Lokschuppen
Die Lok BLE-146 der DGEG wieselte als Rangierlok über die Bw-Gleise und trug die Hauptlast des Rangierdienstes. Die DB hielt zwar zusätzlich 260 610 bereit, aber an diesem Vormittag hatte die dampfende Rangierlok Vorrang.
Anhand meiner Fotos lässt sich bestimmen, dass am Vormittag des 5. April 1976 noch mindestens folgende Loks im Bw Stolberg waren: 01 008, 18 505, 23 105, 24 083, 042 308, 044 216, 044 508, 45 010, 55 3345, 56 3007, 66 002, 97 502, 98 727,“Cöln 7270″, „Walsum 5“, „BLE 146“, „Carl-Alexander Nr. 3“ und „St. Gobain“.
Gegen 10 Uhr war die DGEG damit beschäftigt, einen Lokzug zusammenzustellen, der vermutlich zum Museumsstandort Neustadt/W. fahren sollte. Mit Hilfe der Loks „BLE 146“, „Walsum 5“ und der DB-Lok 260 610 wurde intensiv gearbeitet.
Am südwestlichsten Zipfel des Bw-Geländes rangiert BLE 146 mit der schon als „pfälzische T 5″ und „94 002“ präsentierten vormaligen „Carl-Alexander Nr. 3“, die 1976 bereits 69 Jahre alt war und davon 48 Jahre lang im Bergbau gearbeitet hatte. Hier zeigt sie sich noch in „Bergmannskluft“, schließlich durfte sie ja auch erst mit 68 Jahren in Ruhestand gehen…. ;-)
Die Vereinigten Glaswerke (VEGLA) hatten ihre seit Oktober 1974 als Denkmal im Werk Stolberg ausgestellte Hanomag-Dampflok „St. Gobain“ (Cn2t / Herst.-Nr. 6825 / Bj. 1913) ebenfalls zum Dampflokabschiedsfest entsandt. Im Laufe des Vormittags erschien sogar die damals erst 4 Jahre junge VEGLA-Werklok 1 (B-dh / O&K / Herst.Nr. 26736 / Typ MB 280N) im Bahnbetriebswerk Stolberg, um sie wieder an ihren Denkmalsstandort zurück zu holen. Die Lokmannschaft des Glaswerks ließ es sich nicht entgehen, auch ihrer kleinen O&K-Diesellok die seltene Ehre zu gewähren, einmal eine Ehrenrunde auf der Drehscheibe hinzulegen.
Anschließend wurde die Werklok „St. Gobain“ stilecht von der Industrielok „Walsum 5“ von ihrem Standplatz abgezogen und zum Abtransport bereitgestellt.
Wenig später schleppte die O&K-Diesellok die Denkmalslok „St Gobain“ wieder ins heimatliche Glaswerk.
Walsum 5 hat derweil wieder Pause
Danach betätigte sich die DGEG wieder, der seinerzeit auch die 23 105 als Dauerleihgabe der DB überlassen war. Aus Furcht vor dem evtl. allzu großem Eifer der Souvenirjäger hatte man bei 23 105 bereits wieder alle Schilder entfernt, als sie in den Lokzug der DGEG eingereiht wird. Auf dem Weg dorthin erhalten die Eisenbahnfreunde noch einmal Gelegenheit, diese Lok mehrere Ehrenrunden lang mit einem letzten Fotoshooting auf der Drehscheibe aus dem Bw Stolberg zu verabschieden.
Die aus Rheine entsandte Gastlok 042 308 stand unter Dampf im Ringlokschuppen. Auf dem Standplatz neben ihr parkte 290 223, eine der acht Dürener 290er, die als Ersatz für die Stolberger Dampfloks in das Bw eingezogen waren.
Auf den offenen, im Bw Stolberg als „Freiheit“ bezeichneten Drehscheibengleisen ließen sich am Vormittag noch diese Loks bewundern
Mittlerweile ist 215 012 im Bw Stolberg eingetroffen, die ich etwas unglücklich von der Rückseite eines Schuppens bei der Lokleitung aufgenommen habe. Bevor sie den Lokzug der DGEG übernimmt, wird noch einmal vollgetankt.
Als die DGEG ihren Lokzug zusammengestellt hatte, waren dort die Loks 18 505, 23 105, 98 727, „Carl-Alexander Nr. 3“ und 45 010 eingereiht. Beim Verlassen des Bahnbetriebswerkes gab es zum Abschied ein Pfeifkonzert in verschiedenen Tonlagen, bei dem sich alles, was noch unter Dampf stand, lautstark von den abfahrenden Loks verabschiedete.
Der von 215 012 gezogene Museumsloktransport verläßt Stolberg:
Abschiedsstimmung: Obwohl der Lokzug schon „außer Reichweite“ ist, schaut der Fotograf ihm noch lange nach……. Links vom Stellwerk „Sl“ ist der Lokpfiff einer weiteren Dampflok zu sehen (!), die ihren davonziehenden Schwestern ebenfalls einen wehmütig-heulend-langgezogenen Abschiedsgruß zukommen läßt.
Das Bw Stolberg hatte an diesem Tag im Güterzugdienst zum Bahnhof Stolberg-Hammer übrigens seine 053 031 eingesetzt. Als ich nach Hause radelte, begegnete sie mir auf der Rückfahrt zum Stolberger Hauptbahnhof völlig unerwartet (und deshalb leider nicht fotografiert) an einem Bahnübergang.
Die letzten vier Stolberger Dampfloks 050 164, 050 622, 051 462 und 053 031 wurden auch nach diesem Tag noch bis Anfang Juni 1976 gelegentlich für Sonderdienste und zum Verbrauchen der Lokomotivkohlenrestbestände eingesetzt.