175 Jahre Deutsche Eisenbahnen – 20 Jahre Plandampf

In das Jahr 2010 fällt das Jubiläum „175 Jahre Deutsche Eisenbahnen“. Wie man ein solches Jubiläum feiern kann, haben die Deutsche Reichsbahn im Jahre 1935 zum „Hundertjährigen“ und die Deutsche Bundesbahn 1985 zum 150. Geburtstag der Eisenbahn in Deutschland eindrucksvoll gezeigt. Auch die Deutsche Reichsbahn in der DDR hatte – selbst unter den Bedingungen der sozialistischen Planwirtschaft – vorbildlich dargetan, wie ein würdiges Eisenbahnjubiläum aussehen kann. Die Aktivitäten der Deutschen Bahn AG zum 175-jährigen Jubiläum der Eisenbahn in Deutschland vermochten daran nicht anknüpfen.

Glücklicherweise konnte mit Unterstützung der Bundesländer Rheinland-Pfalz und  Saarland sowie dem Zusammenwirken einer großen Zahl von Museumseisenbahnen und Eisenbahnfreunden im Jahre 2010 dennoch eine Veranstaltung aufgezogen werden, die nicht nur als würdiger Ersatz angesehen werden kann, sondern die „Vorgaben“ vielleicht sogar übertroffen hat: das „Dampfspektakel 2010“. Zwischen dem 2. und dem 6. April 2010, rund um die Ostertage, dampften und ratterten rd. 200 historische Züge durch die Region rund um Trier, Koblenz, Luxemburg und Saarbrücken sowie durch die Eifel. Begeisterte Eisenbahnfreunde aus vielen Ländern Europas, selbst aus den USA, aus Asien und Australien kamen, um dieses Ereignis mitzuerleben. Nach Angaben der Veranstalter sollen rd. 100.000 Besucher gezählt worden sein. Während ältere Eisenbahnfreunde in nostalgischen Erinnerungen schwelgten, erlebten viele jüngere Menschen erstmals den beeindruckenden Auftritt der stampfenden Dampflokomotiven und der historischen Diesel- und Elloks.

Auch ohne den im Programm angekündigten Einsatz des Aussichtswagens bot der von 103 235 bespannte TEE-Zug in seinen vornehmen, markanten Farben einen eleganten Anblick. Hier verlässt der Zug am Morgen des 5. April 2010 beim Bahnhof Kalscheuren das Stadtgebiet von Köln und strebt nach Koblenz und Trier.

Die Veranstaltung fand zwar nicht in Stolberg statt – aber immerhin im weiteren Dunstkreis von Stolberg. Und schließlich baute die preußische Staatsbahn einstmals die „Hohe-Venn-Bahn“ als Eisenbahnlinie von Aachen nach Prüm, von wo aus man seinerzeit schon nach Gerolstein einen Bahnanschluss hatte. Blicken wir also von Stolberg aus nach Gerolstein, einem der Brennpunkte des „Dampfspektakels 2010“!

Rund um Gerolstein bestand dabei auch die Möglichkeit, einige Dampfloks im Betrieb zu erleben, die in verschiedenen Epochen den Eisenbahnbetrieb rund um Stolberg geprägt hatten, beispielsweise die Schnellzuglok der Baureihe 01.10, die preußische Personenzuglok P8, die Güterzugloks des preußischen Typs G 12 oder der Baureihe 50 sowie die im Personenverkehr eingesetzten preußischen Tenderloks der Gattungen T 11 und T 18  (BR 74 und 78). Hier einige Portraits der Loks:


Im Lokschuppen des Bw Gerolstein wurde 38 1772 gezeigt, jene Lok, die als letzte der preußischen Gattung P8 bei der Deutschen Bundesbahn ausgemustert wurde. Loks der Baureihe 38 waren bis Mitte der 1960er Jahre das Rückgrat im Reisezugverkehr der DB und u.a. in Aachen, Düren und Köln stationiert. Selbst das Bw Stolberg beheimatete für kurze Zeit einzelne dieser Loks.

Die einstmals allgegenwärtigen Güterzugloks der BR 50 waren durch die Lok 50 2740 vertreten. Im Gegensatz zu vielen anderen blitzblank geputzten Museumsloks vermittelte sie durch ihre Betriebsspuren den authentischen Eindruck einer Lok aus dem harten Alltag im Güterzugbetrieb, wie man sie bis1975 auch in Stolberg hätte antreffen können.

Die bulligen Güterzugloks der preußischen Gattung G 12 bzw. der BR 58 waren in den 1920 Jahren u.a. auch im Bw Aachen-West stationiert. Beim Dampfspektakel repräsentierte die Lok 58 311 diesen Loktyp, der den Übergang zu den sog. Einheitsloks markiert.


Am 5. April 2010 entstand im Bf. Gerolstein dieses Bild der Lok „Hannover 7512“, einer Naßdampflok der preußischen Gattung T11 bzw. der Baureihe 74. Mit der moderneren Heißdampfausführung dieser Loks (pr. T 12) wurde – auch vom Bw Stolberg aus – bis zum Einsatz der Schienenbusse der Reisezugverkehr auf den Nebenbahnen in der Region Aachen abgewickelt.

Loks der preußischen Gattung T 18 bzw. der BR 78 waren u.a. in Düren, Euskirchen und Köln-Deutz stationiert und  im Personenverkehr zwischen Köln und Aachen und zwischen Düren und Bonn im Einsatz. In Gerolstein konnte man die Lok 78 468 erleben, hier bspw. am 2. April 2010 unterhalb der dortigen Erlöserkirche.

Neben Loks der deutschen Staatsbahnen waren auch Loks von Kleinbahnen (bahnamtlich: nichtbundeseigenen Bahnen) und von Industriebahnen im Einsatz. Und selbst die „Kleinen“ konnten große Dampfwolken produzieren.

Ein typisches Beispiel für die Kleinbahnen und Industriebahnen stellt hier die Lok „Merzig“ der Museumseisenbahn Losheim dar, die am 05. April 2010 mit Waggons aus den 1920er Jahren losdampfte (oben und unten).

Selbst das an verschiedenen Tagen kühle und nasse Wetter verdarb nicht die Stimmung, sondern sorgte häufig für eine hervorragende Dampfbildung und intensivere Eindrücke.


Am nasskalten 03. April  2010, dem Ostersamstag, stampfte 50 2740 mit ihrem Reisezug im Stil der Wirtschaftswunderzeit bei der Ortschaft Rockeskyll kraftvoll bergan.


Noch krasser demonstrierte  58 311 die Faszination des Dampflokbetriebes, als sie sich mit ihrem Zug buchstäblich Meter um Meter auf den regennassen Schienen
zwischen Rengen und Dockweiler  vorwärts kämpfte. Fast schien es, als wollte sie diese alte Straßenbrücke wegsprengen…

Das Finale des Dampfspektakels fand am 6. April bei Sonnenschein und blauem Himmel statt.


Bei Betteldorf konnten die Besucher am Vormittag des 06. April 2010 die Tenderlok 78 468 in Aktion erleben (oben und unten).


52 6106 mit einem Reisezug im Stil der Nachkriegszeit bei Rengen (oben und unten). Von der Baureihe 52, einer sog. „Kriegslok“, wurden über 6.000 Stück gebaut. Sie zählt damit zu den meistgebauten deutschen Dampfloks und ist selbst heute noch auf vielen Museumseisenbahnen im Einsatz zu finden.


Die Lok 23 042 verkörpert den Abschluss der Entwicklung von Dampflokomotiven bei der Deutschen Bundesbahn. Hier rollt sie mit einem für die Bundesbahn typischen „Silberling“ am Ufer der Kyll und unterhalb der für Gerolstein typischen Felsformationen ihrem Zielbahnhof entgegen.


012 066 passierte mit einem Regionalexpresszug von Köln nach Trier am späten Vormittag die markante Kasselburg bei Pelm. Bis 1975 bildeten solche Loks die Königsklasse der Bundesbahn-Schnellzugdampfloks.


Am letzten Tag der Veranstaltung, dem 06. April, wurden außerhalb des öffentlichen Fahrplanes auch zwei Güterzüge auf der Strecke von Gerolstein über Daun nach Ulmen eingesetzt. Wie ein typischer Bundesbahngüterzug aus den frühen 1970er Jahren rollt hier 50 2740 mit ihren Güterwaggons über die immer noch vom Zweiten Weltkrieg gezeichnete Kyllbrücke bei Pelm.

Das „Dampfspektakel“ war als Doppeljubiläum konzipiert. Neben „175 Jahre Deutsche Eisenbahnen“ galt es auch, „20 Jahre Plandampf“ zu begehen. Aus diesem Anlass wurden verschiedene Regelzüge mit historischen Waggons gebildet und von Dampfloks gezogen. Da die Deutsche Bahn AG ihre Infrastruktur aber leider vielerorts soweit zurückgebaut hat, dass bei günstigen Umständen gerade noch der aktuelle fahrplanmäßige Verkehr störungsfrei abgewickelt werden kann, stieß sie als Netzbetreiber rasch an ihre Grenzen und scheiterte bei der Durchführung des erweiterten Bahnverkehrs. Die von ihr auf ein Minimum reduzierte Infrastruktur bot nicht mehr die Möglichkeit, flexibel auf betriebliche Verzögerungen etwa durch das erhöhte Fahrgastaufkommen reagieren zu können. Die Besucher erlebten deshalb leider auch hier einen an vielen Stellen von Verspätungen und Zugausfällen geprägten Bahnbetrieb. Wie auch diese Veranstaltung gezeigt hat, wird die Forderung der Politik, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern, im 175. Jahr der deutschen Eisenbahngeschichte wohl nicht mehr einlösbar sein…

Als Reminiszenz an „20 Jahre Plandampf“ hier eine Bilderfolge von der Fahrt eines Zuges der Regionalexpresslinie 12, der am 02. April mit der Lok 41 360 und historischen Waggons von Köln nach Trier verkehrte und nachmittags mit der ehemaligen DDR-Schnellzuglok 01 0509 zurückgefahren wurde:

Architektur aus der Zeit des Wirtschaftswunders und Dampfzugatmosphäre am Bahnsteig in Köln-Deutz


Zuganzeige auf dem Kölner Hauptbahnhof. Zwar hatte der Dampfzug den Deutzer Bahnhof pünktlich verlassen, aber schon auf der Hohenzollernbrücke wurden bei einem längeren Halt vor der Einfahrt in den Hauptbahnhof kostbare Minuten vertan. Wie man sieht, hatte es die DB-AG deshalb nicht einmal fertiggebracht, den Zug am Kölner Hauptbahnhof  rechtzeitig auf die Reise zu schicken.


Der Bahnhof Nettersheim wurde im Frühjahr 2010 zu einem ferngesteuerten automatisierten Bahnhof mit Lichtsignalen umgebaut. Auf dem Bahnhof Nettersheim passiert 41 360 die ausgebauten Signale aus der Zeit, als es auf dem Bahnhof auch noch Eisenbahner gab.


Der höchste Punkt der Eifelbahn liegt bei Schmitheim. Ab Nettersheim steigt die Eifelbahn stets bergan, so dass die 41 360 mit hartem Auspuffschlag gegen die Steigung ankämpfen muss.  Die Bilder oben und unten entstanden auf diesem Streckenabschnitt.

Von der Straßenbrücke am Bahnhof Gerolstein aus entstanden diese beiden Fotos der Abfahrt und Ausfahrt aus Gerolstein:


Der von Trier nach Köln verkehrende RE12-Zug, der um 15 Uhr von Gerolstein abfahren sollte, wurde mit der Schnellzuglok 01 0509 bespannt. Schon bei der Ankunft in Gerolstein hatte er 35 Minuten Verspätung. Bei der Einfahrt auf Gleis 1 begegnete er in Gerolstein der kleinen Tenderlok „Waldbröl“.

Die kurze Zeit des Fahrgastwechsels nutzte die Lokmannschaft zu einer kleinen Inspektion des Fahrwerks. Hier kann man sehr gut die Dimension der Treibräder erkennen, die einen Durchmesser von 2 m haben!

An der Lokmannschaft und ihrem Renner hatte es nicht gelegen, dass der dampfgeführte RE12 die Verspätung nicht mehr aufholen konnte. Dort, wo sie fahren konnten, ließen sie der Schnellzuglok freien Lauf. Aber ständige Wartezeiten durch verschobene Zugkreuzungen machten jeden Fahrzeitgewinn des Lokpersonals zunichte. In der Folge  wurde Köln erst mit über 50 Minuten Verspätung erreicht. Auf dem Bahnhof Köln-Süd nahm man 01 0509 gar weitere 10 Minuten an die Seite, um den im Stundentakt folgenden RE12-Zug aus Trier vor zu lassen. Während der Wartezeit sorgte die Dampflok auf dem Bahnhof Köln-Süd für Aufsehen.


Hier hat 01 0509 am Abend des 02. April 2010 ihren Zielbahnhof Köln – Messe/Deutz erreicht. Der Zug hatte zwar über eine Stunde Verspätung, aber die Fahrgäste konnten miterleben, wie die Zeitverluste durch unnötige Wartezeiten vor und in Kreuzungsbahnhöfen entstanden, für die man der Lokmannschaft keine Vorwürfe machen konnte. Wenn sie fahren konnten, dann hatten  die Männer auf dem Führerstand gezeigt, welche Kraft und welches Tempo ihre Schnellzuglok entwickeln konnte.

Mit seinem weitläufigen Bahnhof und dem Bahnbetriebswerk war Gerolstein  einer der Brennpunkte der Veranstaltung. Entsprechend groß war hier an allen Tagen der Besucherandrang.


Der Lokschuppen und die Drehscheibe waren wie hier am 02. April 2010 stets von Besuchern umlagert.


Auf der Straßenbrücke am Bahnhof Gerolstein tummelten sich die Zuschauer und Fotografen des Dampfspektakels zeitweise in Zweier- und Dreierreihen, so dass Fußgängern und Autofahrern besondere Aufmerksamkeit abverlangt wurde.


„Man sieht die Dampfloks vor lauter Menschen nicht mehr“ – in Gerolstein an diesen Tagen ein häufiger Eindruck….

Auch die Straßenbrücke in Pelm war wegen des Panoramas mit der Kasselburg eine dicht belagerte Fotostelle. Wer zu spät kam, musste sich mit einem Platz auf den hinteren Rängen begnügen ;-) ….

Vorbeifahrt des von 01 0509 bespannten Regionalexpresszuges von Köln nach Trier am 03. April 2010.

Selbst an den überlaufenen Fotopunkten waren die Fotografen zumeist so diszipliniert, dass gute Fotos entstehen konnten:


58 311 am 03. April 2010 mit einem Personenzug nach Gerolstein bei Rengen, wo es auf kurzer Distanz eine Vielzahl von guten Fotostandpunkten gibt (oben und unten).

Die Eifellandschaft rund um Gerolstein bot ebenso einsame Fotostellen, an denen man in Ruhe dem Dampfgenuss frönen konnte:


Am westlichen Stadtrand von Gerolstein bieten die Erlöserkirche und ein Stauwehr der Kyll dieses Fotomotiv. Am 03. April 2010 entstand dort dieses Foto der Lok „Posen 2455“, einer Personenzuglok der preußischen Gattung P8, die mit einem Reisezug nach Trier unterwegs war.


Ebenfalls noch am westlichen Stadtrand von Gerolstein entstand am 05. April 2010 dieses Foto der 78 468, die hier nahe des ehemaligen Haltepunktes Lissingen mit einem Personenzug aus Trier angefahren kommt. Das rechte Gleis gehört zur Strecke nach Prüm und einstmals weiter auf die Vennbahn.


In Mürlenbach bietet die Bertradaburg mehrere gute Fotostellen. Hier wurde am Abend des 03. April 2010 die mit dem Tender voraus fahrende 23 042 mit einem Zug nach Trier festgehalten.

Den wahren Genießer erkennt man daran, dass er nicht nur geduldig auf einen Dampfzug wartet, sondern auch dessen Vorbeifahrt genießt, bis er außer Seh- und Hörweite ist. Auch solche Eindrücke kann man im Bild festhalten:


Am Vormittag des 3. April 2010 waren die Loks „Hannover 7512“ und 58 311 mit einem Zug nach Ulmen durchgefahren und hatten die Umgebung eingeräuchert. Während sich die Dampfwolken langsam lichteten und den Blick auf die Kasselburg wieder freigaben, hörte man noch das Stampfen der beiden Loks in der Ferne verklingen und roch das von Kohle und Vanille (vom Zusatzmittel für die Aufbereitung des Kesselspeisewassers erzeugt) geprägte Aroma des Dampfes.


Am Morgen des 5. April 2010 hatte  78 468 mit einem aus Umbauwagen gebildeten Zug das Einfahrsignal des Bahnhofs Gerolstein passiert.


Am Vormittag des 5. April 2010 startete die preußische T11 „Hannover 7512“ mit dem „Preußenzug“ vom Bahnhof Gerolstein aus nach Ulmen.

Die zumindest rund um Gerolstein entstandenen Verspätungen sorgten mitunter auch für kleine Überraschungen, die im Wortsinne mit „Schnappschüssen“ festgehalten werden konnten:


Überraschend konnte im Vorbeifahren die im Bf. Dockweiler mit einem Güterzug wartende 58 311 angetroffen und abgelichtet werden (oben). Aus dem fahrenden Auto heraus entstand dagegen dieses Bild von der zufälligen Begegnung mit 78 468 an der Kyllbrücke bei Pelm (unten).


Mein Dank gilt allen Beteiligten  für ihren unermüdlichen Einsatz vor und während des Dampfspektakels. Sie haben für ein unvergessliches Erlebnis gesorgt, das Maßstäbe gesetzt hat und vielen Menschen in Erinnerung bleiben wird.

Weitere Bilder von dieser Veranstaltung gibt es hier zu sehen.

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