Wer Eisenbahnschienen schon einmal etwas genauer betrachtet hat, dem sind gewiss die am sogenannten „Steg“ , also auf dem schmalen Mittelteil der Schiene, sichtbaren Walzzeichen aufgefallen. Sie bestehen zumeist aus einem Kürzel für den Hersteller, einer Angabe zum Produktionsjahr und ergänzenden Angaben wie bspw. der Bauform der Schiene.
Da auch Schienen einem Verschleiß unterliegen, werden sie in regelmäßigen Abständen ausgewechselt. Häufig werden Schienen, die den Belastungen des Verkehrs auf Hauptstrecken nicht mehr genügen, weiterverwendet, indem sie auf Nebenstrecken oder schließlich auf untergeordneten Bahnhofsgleisen eingebaut werden. Selbst danach wurden Eisenbahnschienen von sparsamen Bahnmeistereien nicht einfach verschrottet, sondern bspw. beim Anfertigen von Geländern, zum Schutz von Masten, bei Bau von Prellböcken oder für viele andere Zwecke genutzt. Daneben wurden Eisenbahnschienen gerne auch als dauerhaft-haltbare Zaunpfähle in der Landwirtschaft genutzt, wo sie unbeachtet die Zeit überdauert haben.
Ein aktuelles Beispiel zeigt diese im Jahre 2011 auf dem Stolberger Hauptbahnhof nahe des Bahnhofsgebäudes eingebaute Schiene. Das Walzzeichen weist sie als Produkt der „Thyssen Schienen Technik GmbH & Co.KG“ aus. Bei dem vierten, wie ein „D“ erscheinenden Buchstaben handelt es sich um ein gespiegeltes „G“. Dieser aus der Thyssen-Hütte in Duisburg-Bruckhausen hervorgegangene Betrieb ist heute der einzige Hersteller von Eisenbahnschienen in Deutschland. Das Schienenwalzwerk führt heute zwar noch seinen Traditionsnamen, der Betrieb wurde aber vom ThyssenKrupp-Konzern im August 2001 an den österreichischen Stahlproduzenten „Voest alpine“ verkauft.
Rund ein halbes Jahrhundert älter ist diese im Jahre 1961 von der Firma „Bochumer Verein für Gusstahlfabrikation“ hergestellte Schiene, die sich auf der Strecke Stolberg – Raeren befindet.
Stählerne Eisenbahngeschichte lässt sich mancherorts auch an den Eisenbahnschwellen ablesen. Auf dem Gleis beim Bahnhof Breinig liegen diese im Jahre 1929 von der Maxhütte im oberpfälzischen Sulzbach-Rosenberg hergestellten Stahlschwellen.
Ein Produkt aus der unmittelbaren Nachkriegszeit ist diese 1946 von der „Gutehoffnungshütte“ in Oberhausen gewalzte Eisenbahnschiene, die heute als Zaunpfahl an der Eisenbahnstraße zu finden ist.
In einem Stapel ausgebauter Schienen im Bereich der Anschlussgleise des ehemaligen „Camp Reine Astrid“ beim Stolberger Hauptbahnhof findet sich diese schon 1935 hergestellte Schiene, die ebenfalls aus der Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg stammt.
Das Stolberger „Alteisen“ hält ebenso den legendären Krupp-Stahl bereit – hier in Form einer Schiene aus dem Jahr 1924, die als Zaunpfahl nahe der Münsterbachstraße die Zeit überdauert hat.
Ein Stück Heimatgeschichte verkörperte dagegen diese heute ebenfalls als Zaunpfahl verwendete Schiene. Sie wurde 1912 beim „Aachener Hütten-Verein“, d.h. beim Stahlwerk in Aachen-Rothe Erde, produziert.
Auch bei der Bahnmeisterei Stolberg pflegte man offenbar historisches Bewusstsein und verwahrte einstmals dieses Schienenstück. Möglicherweise handelte es sich um das älteste Schienenstück, das man seinerzeit noch auf dem Stolberger Gleisnetz gefunden hatte. Diese Schiene fertigte im Jahre 1870 der „Hörder Bergwerks- & Hüttenverein“ aus Dortmund-Hörde.
Ein gleichaltes Schienenstück (1870) lässt sich in Stolberg auch abseits der Bahnstrecken finden. Hinter dem Walzzeichen „IH&H“ verbirgt sich das 1808 gegründete Walzwerk „Alte Walz“ von „Jacobi, Haniel & Huyssen“ in Oberhausen, aus dem 1873 die „Gutehoffnungshütte“ (GHH, s.o.) wurde.
Die älteste Eisenbahnschiene, die ich bisher in Stolberg finden konnte, dient ebenfalls nicht mehr dem Eisenbahnbetrieb. Sie stammt aus dem Jahre 1860 und auch sie dokumentiert ein Stück heimatliche Industriegeschichte. Sie wurde – 25 Jahre nachdem die erste deutsche Eisenbahn gefahren war und nur 19 Jahre nach dem Bau der Strecke Köln – Aachen – bei der Phönixhütte in Eschweiler-Aue gewalzt. Die Phönixhütte befand sich einstmals dort, wo heute die Recyclingfirma Steil nahe beim Indeviadukt in Eschweiler-Aue ihr Betriebsgelände hat.
Ob es in Stolberg wohl noch ältere Eisenbahnschienen zu finden gibt??
Ich würde mich freuen, wenn ich Ihren Ehrgeiz entfacht hätte und bin für jeden Hinweis (=> mail@eisenbahn-stolberg.de) dankbar.
Schienen die älteste:
In Kirchseeon bei München gibt es ein ehemaliges Schwellenwerk .Dort fand ich ein Schienenstück ,als Zaunpfeiler ,mit der Aufschrift von 1866 . Hersteller ist ein Eisenwerk aus dem heutigen Saarland.
Hallo Herr Wagner,
vielen Dank für Ihren Hinweis – und Gratulation zu dieser Entdeckung. Solche alten Schienenstücke sind wahre Raritäten. Und Ihre Entdeckung zeigt einmal mehr, dass es sich immer lohnt, bei solchen „Nebenanwendungen“ von Schienen genauer hinzuschauen…
Mit freundlichen Grüßen
Roland Keller
P.S.: Kennen Sie die Internetseite walzzeichen.de. Dort wäre man für einen Hinweis und evtl. für ein Foto dazu sehr interessiert und dankbar
In meiner Stadt (Lublin, Polen) gibt es viele historische Schienen. Unter anderem 1. Phönix 1876, 2. „ДEMИДOBA H.T. З.X. MЦA 1883 ГОДА СTAЛ O.М.K.Ж.Д“ (Es stammt aus der Regierungszeit von Zar Alexander III Romanov. Laut der Inschrift wurde es im Oktober 1883 in Nischni Tagil (Ural) für die Moskauer-Kursker Linie hergestellt. Das Stahlwerk gehörte der berühmten Familie Demidow. Ähnliche Schienen (ihre Stücke) sind Exponate des Moskauer Eisenbahnmuseums.) 3. „Union D H 1876 B S“ (Deutsches Stahlwerk Hermannshütte bei Dortmund, gegründet von Hermann Diedrich Piepenstock, betrieben von 1843 bis 2001. 1872 wurde es Teil des Union Dortmunder Konzerns.)
Mit freundlichen Grüßen
Darek
Hallo Herr Keller,
vielen Dank für die informative Seite.
Habe gestern bei Entkernungs-/Sanierungsarbeiten an meinem Haus in Lichtenbusch über der Schuppentür ein Stück Eisenbahnschiene entdeckt, das als Mauerwerks-Sturz dient.
Nach dem Berabeiten mit der Drahtbürstels erschien heute das Walzzeichen „PHOENIX R 1906“.
Dank Ihrer Seite habe ich nun gute Infos über den Hintergrund :-)
Viele Grüße!
Jo
Hab ein Stück Eisenbahnschiene verbaut in einem Gebäude gefunden
IH&H 1867