Mancher Leser wird es bemerkt haben – bei „Eisenbahn in Stolberg“ gab es eine Urlaubspause. Ein Kurzurlaub in Sachsen bot Gelegenheit, einerseits wieder einmal an Orte zurückzukehren, die schon aus Jugendjahren bekannt sind und andererseits auch neue Eindrücke zu sammeln.
Für viele Menschen war Sachsen Anfang der 70er Jahre kaum erreichbar, weil es als Teil der DDR hinter dem „Eisernen Vorhang“ lag. Und viele Menschen im Rheinland hatten auch gar kein Bedürfnis, dorthin zu reisen – gab es doch eine Fülle von wesentlich attraktiveren Reisezielen! Verwandtschaftliche Bindungen brachten es mit sich, dass ich das westliche Sachsen mit dem Vogtland und dem Erzgebirge schon zu Honeckers Zeiten kennenlernte. In den vergangenen über 40 Jahren hat sich vieles verändert. So war es interessant, einmal nachzuspüren, wie es mittlerweile an Orten aussieht, die schon in jungen Jahren bereist worden sind….
„Den Sozialismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf!“ – glaubten die Esel hinter dem „Eisernen Vorhang“. Nach 40 Jahren ging das Regime unter. Was einstmals Furcht einflößte, ist heute der Verwitterung preisgegeben. Beim Anblick des alten Grenzpfahls kommt der Song „Blowing in the wind“ in den Sinn.
Das Erzgebirge war zur Weihnachtszeit immer schon ein romantischer Landstrich. Dieses Ensemble mit Pyramide, Weihnachtsbaum und der schmucken Kirche, die mit einer Silbermann-Orgel aufwarten kann, findet man in dem für sein Serpentinsteinvorkommen bekannten Ort Zöblitz.
Der Bahnhof von Olbernhau-Grünthal ist von der reformierten Bahn zu einem Haltepunkt zurückgebaut worden und heute der Endpunkt für die Reisezüge aus Chemnitz. 642 228 wurde am 30. November 2015 vor dem typisch sächsischen Bahnhofsgebäude bei der Abfahrt vom neuzeitlichen Bahnsteig aufgenommen.
Wer mit dem Zug nach Seiffen fahren will, muss für die letzten Kilometer in Olbernhau-Grünthal in einen Bus umsteigen. Seiffen ist ein Zentrum des erzgebirgischen Kunstgewerbes und besonders an Winterabenden sehr romantisch (oben und unten).
Bei Eisenbahnfreunden ist das Erzgebirge für seine dampfenden Schmalspurbahnen wohlbekannt. Am Bahnsteig von Cranzahl enden heute die Reisezüge aus Chemnitz. Gleichzeitig beginnt dort die Fichtelbergbahn, die nach Oberwiesenthal, der höchstgelegenen Stadt Deutschlands, führt. Am 01. Dezember 2015 wurde in Cranzahl die Begegnung von 642 558 und 99 1785 festgehalten.
Zwischen dem Hp. Vierenstraße und dem Bf. Kretscham-Rothensehma gelang während einer Zugfahrt von Cranzahl nach Oberwiesenthal diese Momentaufnahme von der angestrengt bergauf stampfenden 99 1785.
Bei einer anderen Fahrt von Cranzahl nach Oberwiesenthal wurde 99 1785 bei der Abfahrt vom Hp. Unterneudorf fotografiert – eine Szene wie auf der Modelleisenbahn.
Bimmelbahn-Atmosphäre vermittelte 99 1785 auch beim Verlassen des Bf. Neudorf.
Am Bf. Kretscham-Rothensehma konnte man 99 1785 schon minutenlang hören, bevor sie ins Bild kam. Nach beschwerlicher Steigung kann die Lok hier beim Halt kurz verschnaufen, bevor die Bergfahrt bis zum Bf. Niederschlag weitergeht.
Abfahrt vom Bf. Hammerunterwiesenthal. Vor dem Haus im Hintergrund grüßt eine erzgebirgstypische Bergmannsfigur die Reisenden im Zug.
In der Dämmerung bot die 99 1772 bei der Fahrt über die große Brücke beim Bf. Oberwiesenthal eine gute Portion Eisenbahnromantik.
„Alle reden vom Wetter…“ – Eisenbahnfotografen nicht! Auch bei rauem Erzgebirgswetter wurde das Fotomotiv mit 99 1772 nicht ausgelassen. ;-)
Der Bf. Wolkenstein an der Strecke von Chemnitz nach Annaberg war einstmals der Ausgangspunkt für die Schmalspurbahn nach Jöhstadt. Mittlerweile ist er stark zurückgebaut.
Bemerkenswert ist hier aber die pragmatische Ausgestaltung des barrierefreien Bahnsteigzugangs. Nur ein Schild mit der Aufschrift „Zugverkehr beachten“ steht am Weg über die Gleise. Hier traut man den Bahnkunden noch zu, einen herankommenden Zug wahrzunehmen. Wieviel aufwendiger und komplizierter baut man vergleichbare Anlagen im Rheinland…
Um die Erinnerung an die Schmalspurbahn wachzuhalten, hat man in Wolkenstein die 99 1542 als „Pappkameraden“ in 1:1 aufgestellt. Wer eine richtige und dampfende IV K auf der Pressnitztalbahn erleben will, muss einige Kilometer weiter reisen und die Museumsbahn von Steinbach nach Jöhstadt besuchen.
In der benachbarten Stadt Geyer, die einstmals von der Schmalspurbahn vom Bf. Schönfeld-Wiesa nach Thum durchquert wurde, ist seit 1976 die „Viere Kah“ 99 534 zusammen mit einem Post- und einem Personenwagen zwischen dem erhalten gebliebenen Bahnhofsgebäude und dem Lokschuppen aufgestellt worden. Zwei Rollwagen ergänzen die Denkmalanlage.
Auch am Rand des Erzgebirges gibt es ein Stollberg. Die sächsische Stadt schreibt sich allerdings mit doppeltem „l“. Der einst großzügige Bahnhof von Stollberg (Sa.) wird heute nur noch von den Zügen der „CityBahn Chemnitz“ angefahren. Hier rollte am 02. Dezember 2015 der Elektro-Triebwagen 411 in den Bahnhof (oben und unten).
Aus Richtung Glauchau und St. Egidien setzt die „CityBahn Chemnitz“ Dieseltriebwagen nach Stollberg ein. Am 02. Dezember 2015 konnte vor dem von der sächsischen Staatseisenbahn erbauten Stellwerk der VT 515 ins Bild gesetzt werden.
In der Industriestadt Zwickau hat man die Straßenbahn nicht nur erhalten, sondern auch modernisiert und zukunftsfähig gemacht. Auf dem Weg zum Zwickauer Weihnachtsmarkt bot der Triebwagen 909 vor dem Stadttheater ein ansprechendes Fotomotiv.
Dass die Schmalspurbahnen in den Herzen vieler Sachsen einen festen Platz haben, zeigte sich auch auf dem Zwickauer Weihnachtsmarkt. Das Dach eines Imbissstandes wurde zur Präsentation einer Modellbahnanlage genutzt, die die Erinnerung an die älteste, längste und steilste sächsische Schmalspurbahn wachhalten soll. Denn vor den Toren von Zwickau begann beim Bf. Wilkau-Haßlau die Strecke über Kirchberg und Schönheide nach Carlsfeld. Laut bimmelnd und stampfend zog die Modellbahn-Lok 99 516 zur Freude der Weihnachtsmarktbesucher mit einem authentischen Personenzug ihre Runden über die Gleise der winterlichen Modell-Landschaft.
Im Gegensatz zu der unter touristischen Aspekten gepflegten Bergbautradition des Erzgebirges finden diese Kegelhalden kaum Beachtung. Sie gehören zum Bergbau-Erbe der ehemaligen Uranerzgrube in Zobes bei Plauen im Vogtland. Der von der „SDAG Wismut“ betriebene Uranerzbergbau war die intensivste Phase des Bergbaus im Erzgebirge.
„Ruinen schaffen ohne Waffen“ – im Stadtbild von Plauen hat manches von dem, was kennzeichnend für die DDR war, bis heute die Zeit überdauert. Auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung kann man an verschiedenen Stellen noch „Zeitzeugen“ vorfinden, die einen authentische Eindruck von der DDR der 80er Jahre vermitteln (oben und unten).
Ob der Leopardenlook die betagte Straßenbahn aus der DDR-Zeit sexy machen soll?
Auf seinem Weg zum oberen Bahnhof von Plauen nähert sich der Triebwagen 243 am 3. Dezember 2015 beim Nonnenturm dem Gleisdreieck am sog. „Tunnel“, das einen zentralen Verknüpfungspunkt des Plauener Straßenbahnnetzes darstellt.
Beim Bau der bereits Anfang der 70er Jahre wieder stillgelegten Nebenstrecke von Plauen-Chrieschwitz über Bergen nach Falkenstein wurde vielfach der ortstypische Theumaer Schiefer verwendet. Die in Theuma (oben) und in Großfriesen (unten) erhalten gebliebenen steinerne Bogenbrücken künden immer noch von den ästhetisch ansprechenden Baukünsten der Vorfahren.
Nachdem das von der sächsischen Staatsbahn errichtete stattliche Empfangsgebäude des oberen Bahnhofs in Plauen kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges bei einem verheerenden Bombenangriff im März 1945 vollständig zerstört wurde, dauerte es bis 1974, bevor die Deutsche Reichsbahn das hier am 4. Dezember 2015 fotografierte neue Bahnhofsgebäude eröffnen konnte. Damals war man stolz auf diesen zeitgemäßen Neubau. Das minimalistische Logo der Deutschen Bahn AG auf der Fassade erweckt allerdings den Eindruck, als wolle man sich heute mit diesem Gebäude lieber nicht mehr präsentieren. Auf anderen Bahnhofsgebäuden zeigt die DB-AG deutlich größere Firmenzeichen….
Das thüringische Sonneberg ist nicht nur durch die Modelleisenbahnen von PIKO bekannt. Bis 1981 hatte es bei Eisenbahnfreunden auch als Einsatzort der bulligen ölgefeuerten Tenderloks der BR 95 (preuß. T 20) einen guten Ruf. Wo man die letzten deutschen Länderbahn-Tenderloks in herrlicher Umgebung fotografieren konnte, herrschen heute – wie hier beim Haltepunkt Sonneberg-West – Verfall und Tristesse. Die Fotostellen von einst sind vielfach zugewachsen oder auf andere Weise unbrauchbar geworden (oben und unten).
Der Haltepunkt Sonneberg-West ist wohl an neuzeitliche Standards angepasst worden. Das heruntergekommene und verbarrikadierte Bahnhofsgebäude vermittelt aber keine angenehme Aufenthaltsqualität mehr an diesem Haltepunkt. Wer die Züge der Südthüringen Bahn in morbider Umgebung fotografieren will, mag es als Fotomotiv vielleicht noch nutzen.
Das am Tannbach gelegene Dorf Mödlareuth wurde vom „antiimperialistischen Schutzwall“ bis 1990 besonders übel zerschnitten und erfuhr als „Little Berlin“ traurige Berühmtheit. Die schaurige DDR-Grenze von einst ist heute zur wieder aufgebauten, weiß getünchten Museumsanlage mutiert. Immerhin kann man im Grenzmuseum in Mödlareuth aber noch sehen, mit welch perfider Technik und welch ausgeklügeltem System von Sperranlagen das DDR-Regime versuchte, die deutsche Teilung zu zementieren.
Bei diesem Schild verspürte man bis 1989 ein ängstliches Kribbeln in der Magengegend. Auch wenn man „sauberes“ Reisegepäck mitführte, konnte man in schikanöse Kontrollen geraten. Der Grenzübergang Rudolphstein/Hirschberg, der bei früheren Reisen nach Sachsen passiert wurde, ist heute verschwunden. Am Saaleviadukt künden nur noch zwei Schilder an der Autobahn A 9 von der deutsch-deutschen Grenze. Heute fährt man hier nicht mehr „in die DDR“, sondern nach Sachsen oder Thüringen. Wer die DDR noch selbst erlebt hat, den lässt dieser Ort dennoch nicht los. Aber die Erinnerungen an die Reisen in der Jugendzeit werden durch neue Eindrücke überlagert…