Persönliche Erlebnisse als Berufspendler am 28. Juni 2011

Wer am 28. Juni 2011 nach halb 6 Uhr morgens einen der Bahnsteige des Stolberger Hauptbahnhofs aufsuchte, wurde schon von einer größeren Anzahl wartender Menschen begrüßt. Viele Berufstätige hatten sich an diesem Tag, für den die Wetterberichte schon seit Tagen hochsommerliche Temperaturen von über 30 Grad angekündigt hatten, nämlich früher auf den Weg gemacht, um der Hitze zumindest teilweise zu entgehen. Auf dem Stolberger Hauptbahnhof hatten sie dann aber erfahren müssen, dass ein Stellwerksausfall in Aachen Hbf ab 05:30 Uhr den Zugverkehr „auf unbestimmte Zeit“ lahmgelegt hatte. Der Fahrdienstleiter des am Ort und von Menschenhand bedienten Stolberger Stellwerkes informierte die wartenden Bahnkunden zwar regelmäßig über die eingetretene Situation, aber er konnte natürlich keinen Zug herbeizaubern.

Um 05:55 Uhr wurde dann die Einfahrt des RE1-Zuges aus Köln auf Gleis 2 angekündigt und informiert, dass dieser Zug heute in Stolberg Hbf enden würde.


Dadurch vergrößerte sich allerdings nicht nur die Zahl der auf dem Bahnhof wartenden Menschen erneut, sondern auch deren Informationsbedarf. Die häufigste Frage der Neuankömmlinge lautete natürlich, wie man denn jetzt von Stolberg Hbf nach Aachen weiterkommen würde. Die anderen rätselten noch, wie man heute nach Köln gelangen könnte. Der eingelaufene RE1-Zug konnte nämlich nicht wieder kurzfristig in Richtung Köln zurückfahren, da offenbar kein Lokführer mehr vorhanden war! Jedenfalls wurde den Wartenden mitgeteilt, dass der Zug erst nach dem Eintreffen eines Ersatzlokführers zurückfahren könne, was vermutlich frühestens nach rd. 20 Minuten zu erwarten sei.

Gegen 06:15 Uhr traf auf Gleis 43 die Euregiobahn aus Richtung Langerwehe ein, die ebenfalls nicht nach Aachen weiterfahren konnte. Der pfiffige Fahrdienstleiter informierte die Wartenden zwar sogleich, dass diese Euregiobahn kurzfristig nach Düren zurückfahren würde und von dort aus Anschluss mit der S-Bahn nach Köln bestehe. Ob man diese Alternative aber annahm oder nicht, blieb dem Einzelnen überlassen.


Hätten alle wartenden Bahnkunden sie genutzt, wäre der Talent-Triebwagen sicherlich hoffnungslos überfüllt gewesen und hätte nicht mehr abfahren können. Leider konnten die bereits in den Regionalexpresszug eingestiegenen Menschen die Lautsprecherdurchsagen auf dem Bahnsteig nicht deutlich verstehen und erhielten im Zug selbst nicht rechtzeitig den Hinweis auf die Euregiobahn. So hielt sich die Zahl der Umsteiger bzw. kurzentschlossenen Euregiobahn-Nutzer in Grenzen.

Getreu der langjährigen Pendlererfahrung, in solchen Situationen den ersten Zug zu benutzen, der in die gewünschte Richtung fährt, begab ich mich in die Euregiobahn, die Stolberg Hbf letztlich dann mit rd. 10 Minuten Verspätung verließ.


An den Unterwegs-Halten warteten mehr Fahrgäste, die in Richtung Aachen wollten, als Menschen mit dem Ziel Düren oder Köln. In Langerwehe stiegen erstmals viele Fahrgäste nach Düren ein. Gleichwohl standen auf dem Bahnsteig am Gleis 1 noch mehr Pendler, die auf einen Regionalexpresszug warteten.


Wie die Zugestiegenen berichteten, hatte es in Langerwehe keinerlei Hinweis auf die Euregiobahn und die sich mit ihr ergebende frühere Fahrmöglichkeit nach Düren gegeben, weder mittels Lautsprecherdurchsagen noch mit Hilfe der neu installierten sog. „Fahrgastinformationssysteme“.
Gegen 06:45 Uhr traf die Euregiobahn schließlich auf dem Dürener Hbf ein.

Hier wurde den Fahrgästen per Lautsprecher und Zuganzeiger mitgeteilt, dass der RE1-Zug „etwa 30 Minuten Verspätung“ hätte.

Betroffene hatten nun die Wahl, die um 06:53 Uhr verkehrende S-Bahn nach Köln zu wählen, die dort um 07:30 Uhr eintreffen würde, oder das Risiko einzugehen, auf den RE1-Zug zu warten.


Was letztlich ratsamer war, konnte man nicht in Erfahrung bringen. Schließlich überholte der RE1-Zug die S-Bahn in Frechen-Königsdorf und erreichte Köln Hbf damit einige Minuten früher.


(Die Aachener kennen das, aber in Köln ist es selten zu beobachten: Mitten im dicksten Berufsverkehr wird am Morgen des 28. Juni 2011 ein Gefahrgut-Güterzug durch den Hauptbahnhof geleitet…)

Wer an diesem Morgen von Stolberg Hbf nach Köln fahren wollte, war mit einer rd. einstündigen Verspätung in Köln und somit noch glimpflich davon gekommen. Aber Stolberg Hbf lag glücklicherweise ja am Rand des Chaosgebietes. Wer von weiter westlich abfahren wollte, war erheblich stärker betroffen!

Am Vortag ging es mir übrigens so, dass der EC 100, den ich benutzen wollte, wegen einer Stellwerksstörung in St. Goar rechtsrheinisch umgeleitet werden musste und deshalb erst mit über 25 Minuten Verspätung aus Bonn kommend in Köln Hbf einfuhr, so dass der angestrebte Anschluss dort verloren ging. Der ersatzweise gewählte RE9-Zug fuhr ohne Klimaanlage und mit teilweise nicht zu öffnenden Oberlichtfenstern, weshalb die Fahrgäste dort saunaähnliche Zustände ertragen mussten. In Horrem musste der Zug dann „wegen eingleisiger Betriebsführung infolge einer Stellwerksstörung in Düren“ längere Zeit warten und konnte danach nur in Bummelfahrt nach Düren gelangen.

Am Morgen des 28. Juni 2011 gingen mir wieder / einmal mehr viele bekannte Gedanken durch den Kopf:

– Sind elektronische Stellwerke für den harten Alltag des realen Bahnverkehrs überhaupt tauglich oder eher doch nur für die Steuerung größerer Modellbahnanlagen in geschlossenen Räumen geeignet?

– Macht man sich bei der DB-AG eigentlich irgendwelche Gedanken zu Klimaanlagen und den an sie zu stellenden Anforderungen oder den für sie erforderlichen Wartungsarbeiten? Aus den Erfahrungen des Sommers 2010 mit den Pannen an vielen ICE-Zügen hätte man eigentlich Anreize zum Nachdenken haben können?

– Gibt es bei der DB-AG auch Menschen, die aus Erfahrungen lernen? Oder wie ist es zu erklären, dass es offenbar keinerlei funktionierende Notfallpläne gibt, wenn die erheblichen Störungen sich wie beim Bahnverkehr zwischen Köln und Aachen massiv häufen? Sind solche Störungen schon so alltäglich, dass man sie gar nicht mehr wahrnimmt oder aus Betriebsblindheit dagegen nichts mehr unternehmen will?

– Vergleicht man die Technik der traditionellen Eisenbahn mit derjenigen der Deutschen Möchtegern-Börsenbahn, so scheint das größte Problem die unnötige Verkomplizierung von Technik zu sein. Unsere Vorgänger waren dagegen um eine geringstmögliche Komplexität der Bahntechnik bemüht. Wann dürfen sich endlich wieder sachkundige Eisenbahner um die Organisation des Bahnbetriebes kümmern?

Als Soforthilfe könnte DB-Regio evtl.  an den Bahnhöfen zwischen Köln und Aachen schon einmal Infoblätter auslegen. Hier ein Textvorschlag von mir:
„Wir bitten um Ihr Verständnis, wenn Ihre Bahnfahrt wieder einmal wegen einer der vielen von uns produzierten Betriebsstörungen in ………….. enden musste. Da Sie von uns keine weitere Hilfe erwarten dürfen, finden Sie in diesem Infoblatt einige Hinweise zur Selbsthilfe:

Lageplan mit Kennzeichnung der abseitigen Lage des Bahnhofes

Telefonnummern der örtlichen Taxiunternehmen

Hinweise auf die Lage von Bushaltestellen und Erläuterung der evtl. nutzbaren Buslinien, ergänzt durch die einschlägigen Busfahrpläne“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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