Publikumswirksames Versagen der Deutsche Bahn als „Mobilitätspartner“ der Fußball-Europameisterschaft 2024 am Spielort Köln

Publikumswirksames Versagen der Deutsche Bahn als „Mobilitätspartner“ der Fußball-Europameisterschaft 2024 am Spielort Köln

Wer am Nachmittag des 19.06.2024 von Bonn nach Köln oder Aachen fahren wollte, war einmal mehr von einem mangelhaften Angebot betroffen. Doch am 19. Juni 2024 war es ganz besonders herausragend schlecht! Insbesondere viele Fußballfans, aber auch andere Reisende, wurden Zeugen und Betroffene, wie die Deutsche Bahn zum „Immobilitätspartner“ wurde und ihr ohnehin schlechtes Image nachhaltig weiter verschlechterte. Es wird wohl viele Menschen geben, die künftig auf Beförderungen oder Transporte auf dem Schienennetz dieses Versagerunternehmens verzichten werden.

Mein ursprünglicher Plan war, mit einem RE 5 von Bonn nach Köln zu fahren und dort in einen RE 9 nach Aachen umzusteigen. Soweit die Theorie – doch die Bahnpraxis war wieder einmal desaströs.
Es begann damit, dass der RE 5 von Koblenz nach Wesel, der um 16:04 Uhr von Bonn Hbf abfahren sollte, ausfiel. Die nachfolgende RB 26 meldete gegen 16:30 Uhr im Minutentakt wechselnde Verspätungen und Ankunftszeiten zwischen 16:38 Uhr und 16:44 Uhr. Das ist in Bonn nicht ungewöhnlich, sondern eher alltäglich. Bedenklich stimmten da allerdings schon die angekündigten Fahrzeiten von zwei verspäteten IC-Zügen, die nur wenige Minuten danach liegen sollten.

Zuganzeiger am Gleis 1 des Bonner Hauptbahnhofs – mit wechselnder Anzeige der Verspätungen und der Reihenfolge der verspäteten Züge oben und unten). Manch wünscht sich, dass man als Fahrgast schon frühzeitig über die chaotischen und belastenden Verhältnisse informiert wird, die einem während der Fahrt noch bevorstehen….. 

Als die RB 26 schließlich gegen 16:40 Uhr in Bonn eintraf, war der dreiteilige Desiro-Verband  schon völlig überfüllt, aber durch die aussteigenden Menschen ergab sich für einen Teil der am Bahnsteig Wartenden dennoch die Möglichkeit zum Zustieg. In der RB 26 herrschte fortan drangvolle Enge, die Klimaanlage erwies sich als untauglich und bei jedem Zwischenhalt zeigte sich, dass es Mitfahrer gab, die nicht begriffen, welche Funktion Lichtschranken haben und dass ein Zug mit offenen Türen nicht abfahren wird. Selbst die siebenfache Wiederholung dieses Türschließvorganges an den Zwischenhalten zwischen Bonn Hbf und Köln Hbf reichte nicht für diesen eigentlich gar nicht soo schwierigen Lernprozess…
Nach der Abfahrt vom Bf. Bornheim-Roisdorf wurde in der RB 26 angezeigt, dass der Zug in Sechtem enden würde, was unter den Fahrgästen für mächtig Aufruhr sorgte. Doch einige Mitfahrerinnen, die schon von Koblenz an in der RB 26 saßen, konnten etwas zur Beruhigung beitragen, indem sie erklärten, dass diese Anzeige schon mehrfach erschienen war, ohne dass die Zugfahrt endete. Besonders verschärfend kam an diesem Nachmittag aber hinzu, dass die RB 26 in Sechtem eine Überholung durch gleich drei Züge hinnehmen musste und durchaus der Eindruck entstehen konnte, dass es tatsächlich nicht weitergehen würde. Auf dem Bf. Brühl gab es einen Halt von mehr als 10 Minuten, bei dem dennoch mindestens eine ganze Schulklasse wegen Überfüllung des Zuges nicht mitgenommen werden konnte und auf dem Bahnsteig zurückbleiben musste.
Die nächste Überholungspause gab es auf dem Bf. Hürth-Kalscheuren, wo die RB 26 auf die Eifelbahnseite abgeleitet wurde und nach zwei Überholungen auch noch etwas Zeit benötigte, bis sie danach wieder auf die linke Rheinstrecke eingefädelt werden konnte.
Schließlich traf die RB 26 nach weiterem Stop-and-Go-Verkehr gegen 17:55 Uhr (nach mehr als 70 Minuten Fahrzeit für rd. 30 km Fahrstrecke!!) auf dem Kölner Hauptbahnhof ein. Wer sich rechtzeitig auf den Weg gemacht hatte, um in Köln eine Public-Viewing-Veranstaltung für das um 18 Uhr beginnende Spiel der deutschen Mannschaft zu erleben, wurde vom Nahverkehrsangebot auf dem Netz der Deutschen Bahn wieder einmal herb enttäuscht. Hier hatte sich die Deutsche Bahn eindeutig als Immobilitätspartner der Fußball-EM 2024 erwiesen. (Auch wenn der RE 5 von NationalExpress betrieben wird, so können diese Züge auch nur so fahren, wie es der Netzbetreiber ermöglicht….)
Doch wer nach der geschilderten Fahrt im stickigen „Ölsardinen-Express“ in Köln Hbf angekommen war  und nach Aachen umsteigen wollte, stand dort vor der nächsten Herausforderung. Zwar sollte um 18:02 Uhr auf Gleis 8 ein verspäteter RE 9 nach Aachen abfahren. Doch zwischen dem Aufgang zu den Gleisen 6 und 7 und dem Ausgang zum Breslauer Platz hin hatte sich eine Menschenmasse gestaut, die zusätzlich vom Gegenverkehr der von außen einströmenden Menschen belastet wurde. Es war ein dichtes Gedränge von genervten, aggressiv gestimmten und großenteils alkoholisierten Menschen entstanden, das in dem engen Gang zu den Bahnsteigzugängen Assoziationen an das Love-Parade-Unglück in Duisburg weckte. An keiner Stelle waren hierbei Sicherheitskräfte, Ordner oder Bundespolizisten zu sehen oder irgendwie festzustellen, dass in dieser Situation steuernd eingegriffen wurde!
Wer zum Aufgang zu den Gleisen 8 und 9 durchkommen wollte und höflich um Durchlass bat, wurde angepöbelt, selbst am Rand des Ganges am Durchkommen gehindert und musste aufpassen, im dichten Gedränge nicht unterzugehen.
Als es mit deeskalierendem aber beherzten Verhalten mühsam gelungen war, die Rolltreppe zum Bahnsteiggleis 8 zu erreichen, stand der RE 9 noch am Bahnsteig. Allerdings war der Zug bis weit zur Bahnsteigspitze vorgefahren, so dass sich das Zugende nahe beim Büro der Bahnsteigaufsicht befand. Wer sich auf dem von Menschen wimmelnden Bahnsteig bis zum RE 9 vorgearbeitet hatte, musste erleben, dass der aus Talent 2-Triebwagen gebildete RE 9 ebenfalls „gut besetzt“ war. Allerdings war es hier so, dass auf den Zielangaben außen am Zug und im Zug – zumindest im zweiten, hinteren Zugteil – das Fahrtziel „Siegen“ zu lesen war. Es gab weder im Zug noch seitens der Bahnsteigaufsicht Informationen über die Fehlerhaftigkeit dieser Zielangabe. So gab es am Zug einen stetigen Wechsel von verunsicherten Personen, die den Zug vorsichtshalber wieder verließen und anderen Fahrgästen, denen dadurch doch noch ein Zugang zum Zug möglich wurde.
„Auf den letzten Drücker“ erreichte auch noch eine Gruppe junger Leute den Innenraum der Zuges, bevor die Türen geschlossen wurden und der RE 9 den Kölner Hauptbahnhof verließ. Zwei junge Frauen aus der Gruppe waren von den Strapazen des Bahnbetriebs besonders betroffen und benötigten Hilfe. Im Zug gab es allerdings weder einen Zugbegleiter noch Sicherheitspersonal oder andere Helfer. Da es nicht gelang, den beiden Frauen hinreichend zu helfen und weil auch keine Verständigung mit dem Zugpersonal möglich war, organisierten die jungen Leute in Eigeninitiative für den Zwischenhalt am Bf. Düren medizinische Hilfe. Da sich zwischenzeitlich auch herausgestellt hatte, dass ein Teil der Gruppe es wegen der chaotischen Verhältnisse auf dem Kölner Hauptbahnhof nicht in den RE 9 geschafft hatte und dort zurückgeblieben war, beschloss diese Gruppe, ihre Fahrt in Düren zu unterbrechen, um die medizinische Hilfe zu ermöglichen und wieder zusammenzufinden.

Selbst für Berufspendler mit langjähriger Bahnerfahrung waren die Erlebnisse an diesem 19. Juni 2024 nur schwer zu verdauen. Hier hatte das Missmanagement im Schienenverkehr selbst die Zustände übertroffen, die man bisher nur an krassen Karnevalstagen erlebt hatte. Was an diesem Nachmittag und Abend den Menschen zugemutet wurde, war einfach nur schrecklich und erschütternd und macht Angst vor Bahnfahrten bei ähnlichen Anlässen. Wenn sich die Deutsche Bahn hier als Mobilitätspartner für die Fußball-Europameisterschaft zeigen wollte, dann ist sie krachend gescheitert….

Filmtipp: „Vom Ende eines Zeitalters“

Wer die Eisenbahn in der Aachener Region in den 1970er und 1980er Jahren erlebt hat, weiß wie stark der Bahnbetrieb seinerzeit vom Steinkohlebergbau geprägt war. Manch einer hat auch den Blick über die Gleisanlagen hinaus in das Umfeld der Gruben gerichtet und die besonderer Stimmung in den Bergbaustädten mit ihren Bergmannssiedlungen wahrgenommen. Heute kann man deutlich spüren, dass mittlerweile nicht nur die Gruben verschwunden sind….
Am 25. April 2024 ist ein Dokumentarfilm in die Kinos gekommen, der auffällt, weil sein Thema auf den ersten Blick erscheint wie etwas aus der Zeit gefallen: „Vom Ende eines Zeitalters“.

Am 29. April 2024 wurde der Film erstmals in Aachen gezeigt. Die Filmschaffenden Christoph Hübner und Gabriele Voss waren am 29. April 2024 zur ersten Vorführung dieses Films im „Apollo“ angereist und beantworteten viele Fragen des fachkundigen und beeindruckten Publikums. Auch wenn der Film thematisch gar nichts mit Eisenbahn zu tun hat, so dürfte er dennoch viele Menschen ansprechen und bewegen, die das Ende der Steinkohleförderung im Aachener Bergbaurevier, den Strukturwandel und die bis heute andauernden Veränderungen  miterlebt haben. Der rund zweieinhalbstündige Dokumentarfilm „Vom Ende eines Zeitalters“ ist eine eindringliche Dokumentation über das Ruhrgebiet nach dem Ende des Kohlebergbaus, die nachdenklich macht und meines Erachtens durchaus auf das Wurmrevier übertragbar ist. Der Film reflektiert die Entwicklungen und Umbrüche am Ende des Industriezeitalters – nüchtern, ohne Pathos und fern von folkloristischer Bergbautradition. Am Beispiel des Bergwerks Prosper und des angrenzenden Stadtteils Ebel (beide in Bottrop) kann man gut nachvollziehen, wie der Anpassungsprozess in das Leben der Menschen eingreift. Es geht um das Verhältnis von Leben und Arbeiten und um den Wert und die Bedeutung von Arbeit als soziale Aspekte.
In den Filmbeschreibungen heißt es zutreffend u.a. „Strukturwandel bedeutet nicht nur, dass Zechen schließen und Landschaften rekultiviert werden müssen. Auch der soziale Zusammenhalt der Menschen muss sich neu definieren.“ „Ein Film, in dem das Ende noch nicht zu Ende ist und die Zukunft schon begonnen hat.“ „Christoph Hübner und Gabriele Voss haben über 40 Jahre die Veränderungen im Ruhrgebiet beobachtet und diejenigen begleitet, deren Leben und Arbeit davon geprägt war. Ein Spagat zwischen allgemeiner Entwicklung und Einzelschicksalen von Menschen.“

Der Film wird u.a. am Sonntag, dem 5. Mai 2024 um 12:45 Uhr wieder im Apollo-Kino in Aachen, Pontstraße 141 – 145 aufgeführt. Möglicherweise wird er auch am 08. Mai 2024 noch einmal gezeigt.

Neues Buch über den Bf. Düren erschienen!


Am 15. April 1874 wurde in Düren das heutige Bahnhofsgebäude eröffnet. Der Historiker und Eisenbahnfreund Heinz-Peter Müller hat das anstehende 150-jährige Jubiläum zum Anlass genommen, ein Buch herauszugeben, in dem er über die Anfangszeit der Eisenbahn in Düren und anhand von vielen Bildern und Karten über den Werdegang dieses Bahnhofs bis in die heutige Zeit berichtet. Auf 95 Seiten, prall gefüllt mit interessanten Informationen, erfährt die Leserschaft viele Details über diesen interessanten Inselbahnhof und die wechselvolle Geschichte sowohl des Bahnhofsgebäudes als auch der Eisenbahnanlagen rund um den Bahnhof Düren.

Das Buch ist im Eigenverlag erstellt und ist somit nicht online im Buchhandel zu bestellen. Es kostet 10 Euro. Allerdings ist die Auflage sehr begrenzt. Wer Interesse an diesem Buch hat, sollte sein Exemplar unmittelbar beim Autor Heinz-Peter Müller bestellen => hpm56@t-online.de .
Zusätzlich soll das Buch auch am Freitag oder Samstag bei der Buchhandlung „LeseZeichen“ in Kreuzau, Tel.:02422-504886, zu erwerben sein.

Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!

 

Faire Benutzungsregelungen für Bahnkunden – Denkanstöße

Faire Benutzungsregelungen für Bahnkunden – Denkanstöße

Wer die Bahn (oder andere öffentliche Verkehrsmittel) benutzen will, wird regelmäßig angehalten, den Fahrpreis vor Antritt der Fahrt zu bezahlen. In der alltäglichen Praxis ist es jedoch häufig so, dass Kunden für die im Voraus und in voller Höhe entrichteten Fahrgelder wegen Verspätung, Ausfällen, Anschlussverlusten oder aus anderen Gründen nur mangelhafte Gegenleistungen erhalten oder auch ganz leer ausgehen. Das Bemühen um Fahrkosten-Rückerstattungen ist anschließend für Bahnkunden nicht nur mit zusätzlichem Aufwand verbunden. Häufig gibt es auch Mindestbetragsgrenzen oder pauschalierte Erstattungssätze, die den Interessen der Kunden und den erlittenen Nachteilen wie bspw. Verlusten von Arbeitszeit nicht gerecht werden.

Da es bereits heute Möglichkeiten gibt, die Fahrkosten für öffentliche Verkehrsmittel digital und automatisch so abzurechnen, dass bei jeder Fahrt Beginn und Ende der jeweiligen Fahrt mit Zeit und Ort erfasst werden und davon ausgehend der jeweils günstigste Tarif berechnet wird, könnte man solche Systeme auch weiterentwickeln und dazu nutzen, faire Benutzungsregelungen für Bahnkunden zu schaffen.

So wäre es bspw. denkbar, ein System zu entwickeln, bei dem die Kunden – auf freiwilliger Basis – beim Kauf eines Fahrscheins ihre konkreten Reiseabsichten angeben. Dabei könnten Startzeit, Reiseweg und vorgesehener Fahrtverlauf mit Linienwegen und Umsteigepunkten sowie die fahrplanmäßig vorgesehene Ankunftszeit (also der „Sollwert“) vor Antritt der Fahrt eingegeben werden. Anschließend könnte der reale Ablauf der Fahrt (= „Istwert“) erfasst werden. Aus dem Vergleich von Soll und Ist kann man den Bahnkunden bei Abweichungen vom Fahrverlauf anschließend eine angemessene Rückerstattung des Fahrpreises sowie ggf. einen angemessenen Schadensersatz für Zusatzaufwendungen (bspw. Taxikosten, Hotelübernachtungen o.ä.) gewähren. Bei bargeldlosem Fahrscheinkauf könnte bspw. auch unmittelbar nach Abschluss einer mangelhaften Fahrt eine automatisierte (Teil-)Rückerstattung des Fahrpreises erfolgen.

Die dabei gewonnenen Daten könnten gleichzeitig genutzt werden, um die Transparenz über die Mängel des Angebots der öffentlichen Verkehrsmittel zu verbessern, Fehlerquellen besser erkennen und analysieren zu können und davon ausgehend punktgenaue Abhilfemöglichkeiten zu entwickeln.
Anhand der regelmäßig gewonnenen realen Daten zu den erfassten Fahrtverläufen könnte man Kunden zudem auch im Voraus Hinweise auf zu erwartende Probleme geben bzw. Angaben zu den statistisch absehbaren Fahrzeitabweichungen liefern, die Kunden bei der Reiseplanung vorausschauend berücksichtigen könnten.

Falls es Kunden gelingen würde, die Ursache von Störungen näher aufzuklären (bspw. Streckensperrungen wegen herabgefallener Äste oder umgestürzter Bäume, weil die Vegetationspflege vernachlässigt wurde oder Einstellung des Bahnbetriebs im Winter, weil der Netzbetreiber regional keine Schneepflüge oder Schneeräummöglichkeiten vorgehalten hat oder die Instandhaltung von Weichenheizungen vernachlässigt hat) und in der Folge begründete Hinweise für ein Organisationsverschulden sichtbar werden, könnten Netzbetreiber oder Verkehrsunternehmen auch immer dann zu Schadensersatzleistungen für Kunden verpflichtet werden, wenn sie im Wege einer Beweislastumkehr nicht nachweisen können, dass Störungen tatsächlich auf höhere Gewalt zurückzuführen sind und auch bei angemessener Vorsorge nicht zu vermeiden gewesen wären.

Anhand der konkret erfassten Schlechtleistungen oder Leistungsausfälle ließen sich außerdem individuelle Leistungsbilanzen für Verkehrsunternehmen, Verkehrsverbünde oder Nahverkehrszweckverbände ebenso wie von Netzbetreibern erstellen, die man dazu nutzen könnte, bei den jeweiligen Verantwortungsträgern entsprechend ihrer persönlichen Verantwortung und Funktion anstelle von Bonuszahlungen fallweise auch Abschläge (Maluszahlungen) von vereinbarten Gehältern einzufordern oder diese schlimmstenfalls auch von ihren Aufgaben zu entbinden.