Buchtipp: „Bollenien – Eine kurze Episode in den belgisch-deutschen Beziehungen“


Bollenien – Eine kurze Episode in den belgisch-deutschen Beziehungen

Dass zwischen April 1949 und August 1958 einige deutsche Ortschaften unter belgischer Auftragsverwaltung standen, ist – außer bei denen, die es erlebt haben und die davon betroffen waren – nahezu unbekannt.
„Bollenien“, benannt nach dem belgischen General, der diese belgische Verwaltungszone leitete, war das Produkt komplizierter Verhandlungen um die deutsche Westgrenze, die seit 1945 unter alliierter Führung mit den Benelux-Ländern geführt worden waren. Ende März 1949 hatte man sich auf diese Verwaltungszone verständigt, die dann am 23. April 1949 – noch vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland – an Belgien abgetreten wurde. Ab Ende 1950 führte die Bundesrepublik Deutschland dann bilaterale Verhandlungen mit Belgien, die im September 1956 in den deutsch-belgischen Ausgleichvertrag einmündeten. Kurz nach seiner Ratifizierung endete die belgische Verwaltungszeit in Bollenien mit der Rückgabe der Gebiete am 28. August 1958.

In seinem interessanten Buch spürt Michael Heinzel den Spuren dieses nur rd 20 km² kleinen, zwischen Aachen-Bildchen, Losheim und Hemmeres gelegenen, nicht einmal zusammenhängenden und anfangs nur 1.001 Einwohner zählenden Gebietes nach – gründlich, mit Blick für Alltag und Erfahrungen der Menschen und ebenso mit einem Blick für längerfristige Entwicklungen. Er beleuchtet die jahrelange Unsicherheit für die Betroffenen und die Beschränkungen ihrer Freizügigkeit und ihrer wirtschaftlichen Entwicklung in der wichtigen Phase des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Autor richtet seinen Blick dabei auch auf die in diesem Gebiet verlaufenden Verkehrswege, insbesondere die Vennbahn, und deren wechselnde Bedeutung für die Bewohner des Grenzlandes.
Wer heute an unseren offenen Grenzen zweifelt, braucht nur wenige Jahrzehnte zurückzugehen, um zu erkennen, was geschlossene Grenzen für die Menschen in der uns vertrauten Region entlang der deutsch-belgischen Grenze bedeuten können. Der Autor führt deutlich vor Augen, dass die heutige Lebenssituation hier keine Selbstverständlichkeit ist und warum ein stetiger Einsatz für die Bewahrung des erreichten Zustandes lohnenswert ist.

Michael Heinzels neues Buch zeigt sechzig Jahre nach dem belgisch-deutschen Staatsvertrag und der Gründung der EWG denjenigen Menschen, die an der europäischen Idee zweifeln, am Beispiel „Bolleniens“ sehr anschaulich, wo wir herkommen und was wir riskieren, wenn wir das Erreichte in Frage stellen.

Mein Tipp: absolut lesenswert!

Siehe hierzu ergänzend den Beitrag des BRF „Kuriosum der Geschichte: Michael Heinzel mit zweitem Buch über Bollenien“ vom 02. Oktober 2017. In einem ausführlichen und interessanten Gespräch erklärt Michael Heinzel dort auch, wie er als ein Autor aus Bonn auf diese besondere belgisch-deutsche Grenzgeschichte kommt.

Bollenien – Eine kurze Episode in den belgisch-deutschen Beziehungen
erschienen im Verlag des Königlichen Geschichtsvereins „Zwischen Venn und Schneifel“ aus St. Vith.
Preis: 15 Euro.
ISBN 978-3-00-056599-1