In klischeehaften Vorstellungen ist das Ruhrgebiet immer noch ein schmutziger Landstrich, in dem die rußgeschwärzten Wohnsiedlungen zwischen Hochöfen, Stahlwerken und rauchenden Fabriken eingezwängt sind. Doch im Jahre 2010 sucht man selbst im Ruhrgebiet meist vergeblich nach diesem Bild.
Wer heutzutage noch einen Eindruck vom Ambiente einer Industriestadt wie vor fünfzig oder hundert Jahren bekommen möchte, der könnte in der belgischen Stadt Seraing bei Lüttich fündig werden.
Seraing war einer der Ausgangspunkte der „industriellen Revolution“ auf dem europäischen Kontinent und entwickelte sich rasch zu einem der zentralen Industriestandorte Belgiens. Der Name der Stadt Seraing ist eng verbunden mit den beiden Brüdern John und James Cockerill. Schon im Jahre 1816 betrieb die Familie Cockerill in Seraing bspw. mehrere Hochöfen, ein Stahl- und Walzwerk, eine Maschinenfabrik, zwei Steinkohlegruben, eine Erzgrube und eine Kesselschmiede und beschäftigte dort rd. 2.500 Arbeiter.
Und es gibt auch eine historische Verbindung zwischen Seraing und Stolberg! Denn im Jahre 1837 dehnte die Familie Cockerill ihre Tätigkeit auch nach Stolberg aus, wo sie u.a. die St. Heinrich-Zinkhütte in Münsterbusch und in deren direkter Nachbarschaft das Bergwerk James-Grube errichtete. In Stolberg erinnert die Cockerillstraße an dieses Kapitel der euregionalen Industriegeschichte.
Obwohl der Strukturwandel auch hier tiefe Spuren hinterlassen hat, konnte Seraing sich immer noch einen Teil seiner Schwerindustrie erhalten. Und immer noch liegen Hochöfen und Schwerindustrie mitten im Stadtgebiet. Neben der weiterhin produzierenden Eisen- und Stahlindustrie gibt es zudem umfangreiche Brachflächen stillgelegter Industrieanlagen und heruntergekommener Stadtviertel, die ihrerseits einen eigenen, morbiden Charme ausstrahlen.
Die gesamte, aus 59 Motiven bestehende Fotoreportage von einem im Juli 2011 unternommenen Ausflug nach Seraing und dem vorgelagerten Rangierbahnhof (Lüttich-) Kinkempois gibt es hier zu sehen.