September 1975 – der letzte Herbst für die Dampfloks des Bw Stolberg

Vor 35 Jahren erlebten die Dampfloks des Bw Stolberg ihren letzten Herbst. Mit dem Ende des Sommerfahrplans 1975 stellte das Bahnbetriebswerk Stolberg den planmäßigen Einsatz von Dampflokomotiven ein. Die ohnehin nurmehr im Güterverkehr eingesetzten Loks verloren damit am 27. September 1975 ihre täglichen Einsätze.

Hier werfe ich zur Erinnerung an die letzten Einsatzwochen einen Blick auf den Stolberger Hauptbahnhof und in das Bahnbetriebswerk an zwei Tagen im September 1975. Noch lief der Bahnbetrieb wie gewohnt ab – und doch begleitete den Fotografen schon ein wenig Wehmut, weil doch klar bewusst war, dass diese Fotos bald nicht mehr wiederholbar sein würden.

Der 03. September 1975 war ein neblig-trüber Herbsttag, der zur damaligen Stimmung des Eisenbahnfreundes passen konnte. An der Ostspitze des damaligen Bahnsteiggleises 1a (heute 43) stehend, nahm ich am Nachmittag des 03. September 1975 die Dampflok 050 806 auf, als sie einen Übergabezug aus dem Rangierbezirk III zum Rangierbezirk V schleppte. Solche Einsätze im bahnhofsinternen Verkehr gehörten bis zuletzt zu den typischen Aufgaben der Stolberger Dampfloks.

Beim ehemaligen Stellwerk  „Sa“, dort wo die Verbindungsbahn aus dem Bahnhofsbezirk V ausgefädelt wurde, lichtete ich 050 806 an der fotogenen Signalreihe ab, als sie wenig später wieder in den östliche Hauptbahnhofsteil wechselte.

Der September 1975 hatte natürlich auch sonnige Tage. Einer davon war der 09. September, an dem ich das Bahnbetriebswerk Stolberg aufsuchte und eine kleine Fotoserie aufnahm.

Vor dem Bw-Besuch bezahlte ich bei der “Fahrkartenkasse Stolberg (Rheinl.) Hbf“ im Empfangsgebäude die obligatorische „Versicherung für Bahnbetretung“.

Eine Aufnahme  galt den Loks 050 164 und 051 565,  die im Freien abgestellt waren, während sich im Lokschuppen u.a. die Lok 215 047 befand (links erkennbar).  Nach dem Ende des planmäßigen Stolberger Dampflokeinsatzes wurden beide Loks noch einmal umstationiert. Während die erst am 20. Mai 1975 von Neuss nach Stolberg versetzte 050 164 als eine der letzten vier Dampfloks des Bw Stolberg offiziell ab dem 04. Juni 1976 zum Bw Duisburg-Wedau umstationiert wurde und auch im Sommer 1976 noch Kohlenzüge und Stahltransporte durchs Revier schleppte, gab die langjährige Stolberger Lok 051 565 vom 01. Oktober bis zum 09. Dezember 1975 nur ein kurzes Gastspiel beim Bw Duisburg-Wedau und gehörte danach zum niedersächsischen Bw Lehrte,  wo sie bis zum dortigen „Dampf-Aus“  Ende Mai 1976 im Einsatz stand und zu den letzten vier betriebsfähigen Lehrter Dampfloks gehörte.

Einen Platz im Lokschuppen hatten dagegen die beiden Loks 052 928 und 050 622, die 1970 bzw. 1971 vom Bw Aachen-West nach Stolberg abgegeben worden waren.  Während 052 928 zu den letzten beiden Loks gehörte, die (mit Wirkung vom 15. März 1976) beim Bw Stolberg ausgemustert wurden, wurde 050 622 zunächst am 04. Juni 1976 nach Duisburg-Wedau umstationiert, entging der Verschrottung und erlebte nach ihrer Aufarbeitung im AW Offenburg ab 1985 noch eine Blüte als DB-Museumslok. Bei den Veranstaltungen zum 150-jährigen Jubiläum der Eisenbahn in Deutschland hatte sie einen wesentlichen Anteil am Dampfloksonderfahrten-Programm der Deutschen Bundesbahn.  Seit dem Brand in Nürnberg-Gostendorf am 17. Oktober 2005 ist es still geworden um diese Maschine…

Bemerkenswert waren am 09. September 1975 diese Reparaturarbeiten an der linken Treibstange bei 051 789. Denn zum Ende des Dampflokeinsatzes wurden bei der Umstellung oder Schließung von Bahnbetriebswerken die noch betriebsfähigen Loks auf die verbliebenen Dampflok-Bws verteilt. Diese hatten dann häufig einen Überbestand – mit der Folge, dass schadhafte Loks bei größeren Reparaturen eher ausgemustert als instand gesetzt wurden.
Wegen des sonnigen und milden Herbstwetters hatten die Stolberger Eisenbahner diese Arbeiten seinerzeit im Freien anstatt im dunklen Lokschuppen vorgenommen.

Auch das Bw Stolberg hatte sein „Friedhofsgleis“. Beim Bw Stolberg nutzte man ein parallel zum Ausziehgleis des Rangierbezirks IV verlaufendes Bw-Gleis zum Zwischenlagern der nutzlos gewordenen Dampfloks. Im September 1975 war die Reihe der ausgemusterten Dampfloks deutlich angewachsen. Am 09. September 1975 warteten dort (v.r.n.l.) u.a. 051 302 (nicht auf dem Foto), 052 916, 051 917, 050 788, 052 474 auf ihren letzten Weg zum Schrottplatz.

Einige Impressionen vom „Stolberger Dampflokfriedhof“:

Im milden Licht der Septembersonne vermag die Rauchkammertüre der schon leicht ramponierten 050 788 immer noch ein wenig zu glänzen.

Das gefledderte Fahrwerk der 050 788 bezeugte allerdings unzweifelhaft, dass der Mohr seine Schuldigkeit getan hatte. Sie wurde am 15. August 1975 „z“-gestellt und am 22. Oktober 1975 ausgemustert.

Nach Norden hin befand sich 052 474 am Ende der Reihe der Todgeweihten. Erst am 20. Mai 1975 von Neuss nach Stolberg umbeheimatet, wurde sie ebenfalls am 15. August 1975 „z“-gestellt und am 22. Oktober 1975 ausgemustert.

Wenn die Dampfloks von ihren Einsätzen zurückkehrten, durchliefen sie im Bw Stolberg stets einen sich wiederholenden Ablauf:  Entschlacken und Lösche ziehen,  Sandvorräte ergänzen, Wasser nachtanken und Kohlenvorräte auffüllen. Begleiten wir die Lok 052 167 beim Einrücken ins Bw Stolberg am Nachmittag des 09. September 1975.

Hier haben die Eisenbahner bereits die schmutzigsten Arbeiten erledigt: entschlacken und Lösche ziehen. Unter der Lok befand sich eine mit Wasser gefüllte Grube, in der die vom Feuerrost beim Entschlacken durchgefallenen glühenden Brocken abgelöscht wurden. Beim Ausbaggern der Schlackegrube wurde die Schlacke in den rechts stehenden E-Wagen geladen.
Gleich werden die Sandvorräte ergänzt.

Vor dem Bekohlen wurde am Wasserkran der Tender wieder aufgefüllt.

Hier ist 052 167 nur noch wenige Metervor der Bekohlung. Hier wurde die Lokomotivkohle mit dem hinter der Lok erkennbaren umgebauten und mit einem Greifer versehenen Eisenbahndrehkran in den Tender geschaufelt.

Nahe bei derBekohlungsanlage wurden vor der ehemaligen Wagenwerkstatthalle die Loks der sog. „Kaltreserve“ aufgereiht. Am 09. September 1975 bestimmten die am 06. Juni 1975 vom Bw Mayen nach Stolberg versetzten Loks das Bild. Dazu gehörten 051 462 und die  links im Hintergrund sichtbare 050 023.  Letztere darf für sich in Anspruch nehmen, die Lok der BR 50 mit der niedrigsten Nummer zu sein, die jemals im Bw Stolberg stationiert war. Am 15. März 1976 wurde sie noch zum Bw Lehrte umbeheimatet, wo sie am 11. Juni 1976 ausgemustert wurde.

Ein unscheinbares Bild von den Loks der  „Kaltreserve“ und doch ein Bild voller Kontraste.  Denn unter den 1975 in Stolberg anzutreffenden Dampfloks stellte die 050 023  noch aus einem anderen Grund eine Besonderheit dar. Im Laufe ihres Lokomotivlebens war sie nämlich wie kaum eine andere Lok herumgekommen. In ihrer Biografie finden sich bspw. Stationierungen in Heilbronn und Aulendorf, im fernen ostpreußischen Königsberg, in Guben in der Niederlausitz, im westfälischen Hagen und in der Revierstadt Bochum, in Hamburg, Kiel und im nördlichsten Bundesbahn-Bw in Flensburg sowie in Mayen in der Eifel. Zu ihrem Lebenslauf passend verschlug es die Lok nach ihrer Stolberger Zeit auch noch ins niedersächsische Bw Lehrte.
Neben ihr steht 052 692, ein Stolberger Urgestein. Sie war im Juli 1942 unter den ersten 50ern des Bw Stolberg und hatte die meiste Zeit ihres Loklebens in Stolberg verbracht. Kurzzeitig gehörte sie auch einmal zum Bw Aachen-West. Am 01. Oktober 1975 musste sie Stolberg für immer verlassen und ihr Brot in Duisburg-Wedau verdienen, wo sie am 28. September 1976 ausgemustert wurde.

Die Dampfloks des Bw Stolberg zeigten sich 1974/75 häufig rußgeschwärzt und ungeschminkt. Ein auffälliger Exot war deshalb die Lok 052 167, die am 06. Juni 1975 vom Bw Mayen nach Stolberg umbeheimatet worden war und von dort ein schmuckvolles Äußeres mit silbernen Kesselringen und roten Griffstangen mitbrachte. Auf der Drehscheibe kam diese Besonderheit der 052 167 eindrucksvoll zur Geltung.

Nahe bei der Lokleitung fotografierte ich diese Panoramaaufnahme mitsamt des „Schuppenheizers“,  dessen Aufgabe es war, bei den an der Drehscheibe abgestellten Dampfloks das sog. Ruhefeuer zu versorgen. In seinem Rücken posieren v.l.n.r. die Loks 050 164, 051 565, 052 167 und 051 789.

Begleiten wir den Mann auf seiner Runde durch den Stolberger Lokschuppen und erklimmen mit ihm den Führerstand der 051 494.  So sah dort der Arbeitsplatz des Lokführers aus.

051 494 hatte in Stolberg nur eine kurze Einsatzzeit. Am 20. Mai 1975 kam sie aus dem Bw Neuss nach hier, am 01. Oktober 1975 wurde sie nach Duisburg-Wedau abgegeben. Am 28. September 1976 ereilte sie dort die Ausmusterung.

Hier konnte der Heizer ins Schwitzen kommen:  Das Feuerloch der 051 494 mit der vom üppigen Kesselfeuer gezeichneten Feuertür.

Und wenn der Heizer nicht gerade Kohlen schaufeln musste, dann war dies sein Platz im Führerstand der 051 494:

Das Herz eines Dampflokbetriebswerks ist sicherlich die Drehscheibe. Hier rumpelt 050 164 auf die Drehscheibe des Bw Stolberg, um zu einem Einsatz aufzubrechen. Heile Bahnwelt mit absehbarem Ende…

Am Gleis zwischen der Drehscheibe und dem Stellwerk  „Sl“ gab es üblicherweise einen kurzen Halt an der Lokleitung, um sich von dort abzumelden und an einer Rufsäule das Einrücken in den Stolberger Hauptbahnhof beim Weichenwärter des Stellwerks „Sl“ anzukündigen. Außerdem befand sich dort ein Wasserkran, um den Tender nochmals vollzutanken,  sowie eine Indusi-Prüfstrecke. Beim Blick aus dem Lokschuppen in Richtung Lokleitung habe ich 050 164 auf diesem abwechslungsreichen Gleisabschnitt festgehalten.

Zum Abschluss noch ein romantisches Bild aus dem Bw Stolberg. Auf einem kleinen Fleckchen zwischen Lokleitung und Sozialgebäude hatten die Stolberger Eisenbahner ein stets liebevoll gehegtes Blumenbeet angelegt, auf dem selbst im September 1975 eine Rose mit ihrer kräftigen roten Blüte dem Herbst trotzte. Als letzten Gruß an die geliebte Dampflok war sie dem Fotografen damals eines der wenigen kostbaren Fotos wert.

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