Zeitreise entlang heimatlicher Schienen (Teil 1)

Hier wird zu einer Zeitreise eingeladen, die vom Jahr 2018 aus Rückblicke auf einzelne Ereignisse in die vergangenen 60 Jahre bietet. Dabei wird  der Blick zunächst in das Jahr 2003 gerichtet. Von dort aus gibt es anschließend mehrere Zeitsprünge im Turnus von 5 oder 10 Jahren. Lassen Sie sich überraschen, welche Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten und Veränderungen sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte zeigen. Hier stehen nicht die spektakulären Höhepunkte der Eisenbahngeschichte, sondern eher die alltäglichen und kleinen Ereignisse im Fokus. Gleichwohl wird ein buntes Bild entstehen, das den Wandel im heimatlichen Schienenverkehr deutlich macht.

2003

An einem Abend im Juni 2003 wurde 294 517 beobachtet, wie sie von der Bedienung des Gleisanschlusses der Stahlhandelsfirma „Kerschgens“ zurückkehrt und über Gleis 43 in den östlichen Teil des Stolberger Hauptbahnhofs wechselt (oben und unten). Die Bilder zeigen recht deutlich, in welchem Zustand die Firma „EVS“ ihre Infrastruktur von der Deutschen Bahn AG übernommen hatte. Große Teile des ehemaligen Bezirks V und Flächen entlang des Gleises 43 waren stark verwildert. Das Empfangsgebäude zeigte sich ebenso vernachlässigt und war längst kein Aushängeschild mehr für ein modernes Verkehrsunternehmen. Immerhin bot das Vordach am Bahnsteiggleis 43 den Reisenden aber einen guten Schutz vor Regen und Schneefall. Heute ist das Gebäude zwar instandgesetzt und hat eine neue Nutzung als Firmensitz der EVS und Leitstelle für deren Infrastruktur bekommen. Die schon seit vielen Jahren fehlende Bahnsteigüberdachung und die westliche Fassade des ehemaligen Expressgutschuppens mit einem fehlenden Fenster und mehreren kaputten Glasscheiben vermitteln jedoch eher einen nachkriegsähnlichen Charme…

Nostalgie und Progress am Haltepunkt Stolberg-Schneidmühle im Juni 2003. Die 1913 von Hanomag gebaute Werksbahn-Dampflok „St Gobain“ und der erst wenige Jahre alte Talent-Triebwagen boten dem Fotografen einen reizvollen Kontrast. Heute ist die mittlerweile über 100 Jahre alte Dampflok zwar hübsch restauriert, aber wer sie als Eisenbahnfreund einmal aus der Nähe und von allen Seiten betrachten möchte, stößt auf verschlossene Türen und wird kaltherzig weggeschickt…

Im November 2003 konnte man zwischen Köln und Aachen noch einzelne Züge antreffen, die mit den bewährten Bundesbahn-Loks der BR 110 (hier 110 302) und Reisezugwaggons der Bauart „n“ („Silberlinge“) gebildet waren. Auch wenn solche Zuggarnituren im Jahre 2003 schon rd. 35 bis 40 Jahre im Einsatz standen, so vermittelten sie deutlich mehr Komfort als die heute hier anzutreffenden Elektrotriebwagen der BR 442 von DB-Regio.

 

1993

Zu den Highlights des Jahres 1993 gehörte der Einsatz der ölgefeuerten Dampflok 50 3666 bei der touristischen Vennbahn, die vom Belgischen Verein „Vennbahn V.o.E.“ betrieben wurde. Oben dampft sie im Dezember 1993 bei Konzen in Richtung Mützenich, unten erreicht sie den Bahnhof Kalterherberg. Wer hätte damals gedacht, dass er es noch einmal erleben könnte, regelmäßig mit einem Dampfzug auf dieser außergewöhnlichen Bahnstrecke durch die Eifel- und Vennlandschaft zu fahren. Für Eisenbahnfreunde gab es damals zwischen Rurtal, Vulkaneifel und Hohem Venn nicht nur rosarote, sondern goldene Zeiten…

1988

Der Intercity „Karolinger“ von Aachen über Köln nach Hamburg gehörte mehr als ein Jahrzehnt lang zum Premiumangebot auf der Strecke Köln – Aachen. An einem Morgen im Mai 1988 wurde er im ersten Licht der tiefstehenden Morgensonne auf dem Eschweiler Hauptbahnhof fotografiert.

Wer im Mai 1988 von Aachen Hbf ins niederländische Maastricht reisen wollte, konnte zwar schon „Elektromobilität“ ohne Fahrleitung und bei vorzüglicher Laufruhe erleben. Er musste aber mit der aus kunstlederbezogenen Sitzbänken bestehenden spartanischen Innenausstattung des Akkutriebwagens Vorlieb nehmen. Für Reisende mit Fahrkarten für die erste Klasse gab es nur ein einziges Abteil, das allerdings eine plüschige Wohnzimmeratmosphäre bot. Oben schnurrt 515 654 an einem Morgen im Mai 1988 von Aachen Hbf in Richtung Maastricht, unten hat 515 516 am 30. April 1988 auf seiner Tour von Maastricht nach Aachen gerade das Einfahrsignal des Bf. Simpelveld passiert .

Für den regionalen Verkehr von Aachen Hbf nach Welkenraedt bot auch die SNCB ihren Kunden nur einen sehr dürftigen Komfort. Der Dieseltriebwagen 4608, der im Mai 1988 bei der Ankunft auf dem Aachener Hauptbahnhof aufgenommen wurde, gehörte seinerzeit schon zu den ältesten Dieselfahrzeugen, die die SNCB im Reisezugverkehr aufzubieten hatte.

Als die SNCB-E-Lok 2740 im April 1988 mit einem D-Zug von Köln nach Oostende fotografiert wurde, gab es in Aachen westlich des Buschtunnels noch die um 1965 aus einer Abzweigstelle hervorgegangene Gleisführung für den Wechsel vom  Rechts- zum Linksverkehr (oben und unten).

Der Güterverkehr auf der „Montzenroute“ war 1988 fest in der Hand der Dieseltraktion. Der Eisenbahnfreund konnte sich abwechselnd vom heulend-kernigen Motorsound der SNCB-Loks der Reihe 55 oder vom bulligen Sound der DB-Loks der BR 215 faszinieren lassen (oben SNCB 5512, unten DB 215 120 im April 1988 bei Botzelaer).

Typisch für den Güterverkehr zwischen Montzen und Aachen-West waren 1988 u.a. die langen Kohle- und Kokszüge aus dem Aachener Revier. Im April 1988 wurden 215 113 und eine unerkannt gebliebene Schwesterlok mit einem langen Leerwagenzug bei Botzelaer aufgenommen, der einige Stunden später mit neuer Ladung die Rückfahrt zur Belgischen und Luxemburgischen Stahlindustrie antreten wird.

Am 15. September 1988 wurde im Gleisanschluss der Ancitfabrik Alsdorf (Rüttgers-Werke) mit der firmeneigenen Krupp-Diesellok (Fabriknummer 4435) rangiert. Während es 1988 in der Region Aachen noch eine größere Zahl von Betrieben gab, die mit eigenen Loks auf ihren innerbetrieblichen Gleisanlagen rangierten, gibt es 2018 nur noch wenige Firmen, die über eigene Loks verfügen. Dafür müssen  Betriebe wie das Siemens-Prüfcenter Wildenrath oder die Firma Talbot Services GmbH in Aachen mit ihren eigenen Loks oft längere Wege im DB-Netz zurücklegen, um ihre Frachten abzuholen oder auszuliefern.  

 

1983

Am 13. März 1983 zeigte die Falkenbachbrücke nahezu vollständig ihre ganze Schönheit und individuelle Charakteristik. Mittlerweile ist die Brücke weitgehend zugewachsen und nur noch bruchstückhaft wahrzunehmen. Heute besteht kein Interesse mehr, die Ästhetik und Ingenieurkunst dieser größten Brücke im Zuge der ursprünglichen Vennbahn und ihre mahnenden Wunden aus dem Zweiten Weltkrieg  sichtbar zu machen.

Wenige Kilometer weiter westlich wartete am 2. Mai 1983 die SNCB-Stangenlok 8407 auf dem Bf. Raeren mit einem vom Nahgüterzug aus Stolberg Hbf übernommenen Stückgutwagen auf den Abfahrauftrag in Richtung Lammersdorf, Monschau und Kalterherberg.

Einen ähnlichen Kurzzug gab es am 15. Juli 1983 auch in Linnich zu sehen. Hier hatte 260 589 einen Güterwagen vom örtlichen Landwarenhandel abgeholt, um ihn zunächst nach Jülich zu bringen. Von dort aus wurde er mit dem restlichen,  rund um Jülich zusammengesammelten Wagenaufkommen später nach Düren und Köln befördert.

Die einstmals von der Bergisch-Märkischen Eisenbahn (BME) erbaute Strecke von Hochneukirch über Jülich nach Stolberg bzw. Düren war 1983 schon zwischen Jülich und Ameln stillgelegt. Auf dem nördlichen Abschnitt konnte man mit etwas Glück allerdings noch die bedarfsweise zwischen Hochneukirch und der Zuckerfabrik in Ameln verkehrenden Übergabezüge antreffen. Am 18. August 1983 passierte eine Lok der BR 333 mit zwei Waggons auf dem Weg nach Ameln die niederrheinische Windmühlen-Idylle am Bf. Immerath.

Auf dem Südteil der vorgenannten BME-Strecke gab es 1983 zwischen Frenz, Weisweiler, Eschweiler und Stolberg noch lebhaften Güterverkehr. So schleppte die farblich arg ausgeblichene 290 195 am Abend des 3. August 1983 einen stattlichen Übergabezug vom Bf. Eschweiler-Aue aus nach Stolberg.

Am Abend des 27. September 1983 wurde der von Herzogenrath über Alsdorf nach Stolberg Hbf verkehrende Akkutriebwagen 515 615 bei der kleinen Ortschaft Begau am Übergang von der ländlichen Umgebung zum Aachener Bergbaurevier aufgenommen (oben und unten).

Blick vom Bahnsteig des Personenbahnhofs Alsdorf westwärts zur Kokerei der Grube Anna und dem vorgelagerten Gemeinschaftsbahnhof von Deutscher Bundesbahn und Eschweiler Bergwerksverein, der an diesem 27. September 1983 wegen der Grubenbahn-Dampfloks ein gern besuchtes Reiseziel von Eisenbahnfreunden aus nah und fern gewesen war….

Fortsetzung folgt…

 

 

100-jähriger Geburtstag einer fast vergessenen Bahnstrecke


Viele Stolberger kennen diese zwischen Eschweiler-Pumpe und Eschweiler-Aue gelegene Stelle an der Phönixstraße.

Wer von Eschweiler-Pumpe zum Bahnhof Eschweiler-Aue fährt, der kommt auf der Phönixstraße an einem gewaltigen Widerlager einer abgebauten Eisenbahnbrücke vorbei. Bei genauerer Betrachtung sieht man anhand von drei Verzierungen, dass es sich hier um ein im Jahre 1912 vom Eschweiler Bergwerksverein (EBV) errichtetes Bauwerk einer Bahnstrecke handelt.


Das östliche Widerlager der einstigen Eisenbahnbrücke. Im unteren Ornamentfeld ist deutlich die Jahreszahl  „1912“  zu lesen.

Hinter dem Möbelhaus kann man in der dahinterliegenden Arbeitersiedlung einen weiteren, mittlerweile von Pflanzen  vollständig überwucherten Brückenpfeiler finden. Vom Stolberger Hauptbahnhof her gibt es außerdem einen hohen, bis zur Inde reichenden Bahndamm. Neben diesen Relikten ist von dieser Bahnstrecke nicht all zu viel überliefert.

Der 100. Geburtstag soll Anlass sein, diese Bahnstrecke einmal genauer anzuschauen. „100-jähriger Geburtstag einer fast vergessenen Bahnstrecke“ weiterlesen

Heute vor 25 Jahren – Einstellung des Reisezugverkehrs von Stolberg nach Herzogenrath

Am 28. Dezember 1984 – heute vor 25 Jahren – stellte die Deutsche Bundesbahn den Reisezugverkehr auf der eingleisigen Nebenstrecke von Stolberg nach Herzogenrath ein. Damit verlor auch die letzte Nebenstrecke in der Region Aachen ihren Personenverkehr. Die Züge 7973 von Herzogenrath nach Stolberg und die Rückleistung 7976 von Stolberg über Herzogenrath nach Aachen waren die letzten Reisezüge im Aachener Bergbaurevier. Obwohl die letzten Fahrten bei grottenschlechtem Wetter und Dämmerung bzw. Dunkelheit stattfanden, hatte ich nicht gescheut, die Kamera auszupacken und das Ereignis zu dokumentieren. Mit diesem Beitrag will ich an diesen Einschnitt in der Eisenbahngeschichte der Region Aachen erinnern.

Der Akkutriebwagen 515 564 hatte die zweifelhafte Ehre, diese letzte Nebenbahntour zu fahren. Hier wartet er auf dem Gleis 53 des Bahnhofs Herzogenrath auf die Teilnehmer der Abschiedsfahrt.
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Ein bescheidener Hinweis auf das traurige Ereignis durfte natürlich nicht fehlen

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Die letzte Zigarette vor der letzten Fahrt über Alsdorf nach Stolberg

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Abtransport der letzten vier Dampfloks des Bw Stolberg am 15. Juni 1976

Am Vormittag des 15. Juni 1976, einem Dienstag, wurden die letzten vier Dampfloks des Bw Stolberg zum Abtransport nach Duisburg-Wedau zu einem Lokzug zusammengestellt. Im Bereich der Bekohlungsanlage auf dem Gleis 81 bzw. dem internen Bw-Gleis 6 wurden die Loks in der Reihenfolge

051 462-0 (Richtung Stellwerk „Sl“)

053 031-1

050 164-3

050 622-0 (Richtung Münsterbachstraße und Glashütte)

aufgereiht. Zwischen die Loks und am Anfang bzw. Ende des Lokzuges wurde zur Reduzierung der Meterlast des Zuges jeweils ein leerer E-Wagen eingestellt. „Abtransport der letzten vier Dampfloks des Bw Stolberg am 15. Juni 1976“ weiterlesen